© 2012 Reiner Wandler

Das Ende der öffentlichen Sender

Die Sparwut in Spanien hat die öffentlichen TV- und Radiosender erreicht. Beim staatlichen Radio Televisión Española (RTVE) wird ebenso die Schere angesetzt, wie bei den regionalen Sendern. Ein neues Gesetz der konservativen Regierung unter Mariano Rajoy ermöglicht es, Sendeanstalten zu privatisieren. Mehrere Regionen haben bereits angekündigt, davon Gebrauch machen zu wollen. Nach einer Sanierung sollen die Sender verkauft werden. Tausende Mitarbeiter fürchten um ihren Job.
Bei RTVE, der neben zwei Fernsehsendern und mehreren Themenkanälen ein breites Angebot an Radioprogrammen unterhält, werden im kommenden Jahr 37 Prozent (204 Millionen Euro) der staatlichen Zuschüsse gestrichen. Zusammen mit einem Gesetz, das den Sendern bereits in der vergangenen Legislaturperiode das Recht entzog, Werbung auszustrahlen, macht diese Entscheidung einen weiteren Sendebetrieb auf hohem Niveau unmöglich. „Wo genau sie das Geld einsparen wollen, ist noch nicht klar“, erklärt die Nachrichtensprecherin und Mitglied im Betriebsrat bei RTVE, Ana Molano. Sie befürchtet allerdings, dass es auf Kosten des Personals geht. „Denn der Haushalt für den Sendebetrieb steht bereits für das gesamte Jahr fest. Da kann nicht weiter gespart werden.“ Bleiben die 6.000 Beschäftigten. Zehn Prozent davon haben nur einen Zeitvertrag. „Mit der neuen Arbeitsgesetzgebung, die von der Regierung Rajoy eingeführt wurde, sind sie ganz leicht zu entlassen“, befürchtet Molano, Mitglied von Spaniens größter Gewerkschaft, der unabhängigen CCOO.
In der kommenden Woche wird die neue Geschäftsführung ihr Amt einnehmen. Sie ist erstmals seit 2006 wieder vollständig regierungshörig. Rajoy hat auch hier das Gesetz reformiert. Statt im parlamentarischen Konsens einen Geschäftsführer zu suchen, kann dieser jetzt per absoluter Parlamentsmehrheit ernannt werden. Rajoys Volkspartei (PP) verfügt über diese und hat einen engen Vertrauten durchgesetzt. Die Moderatoren, die nicht mit den Konservativen sympathisieren, fürchten um ihre Jobs.
Die Präsidentin der Region rund um die Hauptstadt Madrid, Esperanza Aguirre, macht sich zur Sprecherin von drei konservativen Regionalregierungen. Madrid, Valencia und Castilla – La Mancha kündigten an, ihre Sendern per Massenentlassungen sanieren zu wollen. Zu hoch verschuldet seien die Anstalten. In Valencia werden 1.000 der 1.800 Mitarbeiter entlassen und der Betriebsrat bei Telemadrid befürchtet, dass die Hälfte der 1.200 Beschäftigten durch die Sparmaßnahmen das gleiche Schicksal ereilen wird.
„Als Aguirre 2003 die Regierung übernahm, war die Sendeanstalt völlig gesund“, rechnet die zweitgrößte Gewerkschaft Spaniens, die sozialistsche UGT in einer Untersuchung zu Telemadrid vor. 17,1 Prozent der Zuschauer in der Region schalteten ihren Landessender ein. Heute sind es noch 6,4 Prozent. Sinkende Einschaltquoten führen zu sinkenden Werbeeinnahmen. „Als Aguirre an die Regierung kam, deckte Telemadrid 50 Prozent der Kosten mit Werbeeinnahmen. 2011 waren es noch 27 Prozent“, lautet das Ergebnis der UGT-Studie.
Der Grund für diese Entwicklung: Der Sender wurde nach und nach zum politischen Sprachrohr der Landesregierung. „Umfragen zeigen, das sieben von zehn Madridern der Meinung sind, es handle sich um einen parteiischen Sender“, beschwert sich die UGT.
„Ich glaube nicht an öffentliche Medien“, erklärt Aguirre. So mancher ihrer Parteifreunden gibt hinter vorgehaltener Hand zu, dass das Regionalfernsehen im Zeitalter des Internets als Propagandainstrument nicht mehr rentabel sei und deshalb ausgedient habe.

Was bisher geschah: