Javier García Breva (59) ist ein alter Hase in Sachen Erneuerbarer Energie. Er war Generaldirektor des spanischen, staatlichen Institutes für die Diversifizierung und Einsparung von Energie (IDAE). In seiner Amtszeit wurde der spanische Plan für Erneuerbare Energien erstellt. Heute arbeitet García Breva in einer Beraterfirma als Direktor für Energie und steht der Photovoltaik-Abteilung des Verbandes der Erzeuger Erneuerbaren Energien (APPA) vor. Seit ihrer Gründung vor knapp zwei Jahren führt er außerdem die Fundación Renovables – eine unabhängige Stiftung, die Lobbyarbeit für die Energiewende macht.
Spaniens neuer, konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy will mit billiger Energie die Wirtschaft wiederbeleben. Die Laufzeiten für AKWs sollen verlängert werden. Sind Wind und Sonne ein Luxus, den wir uns erlauben, wenn die Wirtschaft boomt?
Die Erneuerbare Energien werden in Spanien als zusätzlicher Kostenfaktor gesehen. Daran haben auch die Studien nichts geändert, die belegen, dass die Sondereinspeisevergütungen gut angelegt sind. Spanien hängt zu 85 Prozent vom Import der Primärenergien ab. Im vergangenen Jahr machte dies rund 70 Prozent unseres Aussenhandelsdefizit aus. Jedes Kilowatt (KW), das mit Wind und Sonne erzeugt wird, ist ein KW, das wir nicht außerhalb kaufen müssen. Dank der Erneuerbaren entstanden neue Unternehmen und damit industrielle Arbeitsplätze. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind gestiegen. Trotz all dieser Vorteile, werden die Erneuerbaren von Presse und Politik weiterhin als Zusatzausgaben gesehen, als eine Art teure Modeerscheinung.
Die Erneuerbaren sind am Tarifdefizit nicht schuld. Auch wenn das immer wieder so dargestellt wird. Das Tarifdefizit ist die Folge der ‚Voodoo-Wirtschaft‘, den Jahren als in den USA Reagan und Vater Bush regierten. Damals wurden viele buchhalterischen Tricks wie eben das Tarifdefizit erfunden.
Können Sie das etwas genauer erklären?
Das Tarifdefizit wurde 2003 unter dem konservativen Ministerpräsidenten José María Aznar eingeführt. Wirtschaftsminister war Rodrigo Rato, der spätere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF). Es war ein politisches Instrument, um die Strompreise einzufrieren. Ein Abkommen mit den Stromerzeugern sah für 2003 bis 2010 eine jährliche Preissteigerung von nur zwei Prozent vor. Sollte dies die Gestehungskosten nicht decken, erkannte die Regierung den Fehlbetrag an, und die Banken gaben Kredite in entsprehender Höhe. Die Stromerzeuger verbuchten das Geld als Einnahmen und die Verbraucher zahlten den Betrag umgelegt auf die kommenden 14 Jahre. Bis 2008 funktionierte das prima …
… und dann kamen die Erneuerbaren?
Nein, dann stieg der Ölpreis von 20 Dollar pro Barrel 2003 auf 147 2008. Die Kosten für Stromerzeugung schnellten in die Höhe. Die Regierung – mittlerweile die des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero – ging das Problem nicht an. Das Defizit wurde schließlich so groß, dass die Banken – nach dem Ausbruch der Finanzkrise – kein Geld mehr an die Stromerzeuger auszahlen wollten. Der Staat bürgte für den Betrag. Das Defizit hatte sich in Staatsschulden verwandelt.
Lösungsvorschläge?
Die Sondervergütungen der Erneuerbaren ist nur ein Kostenpunkt unter vielen. Die Verbraucher zahlen für die Atommüllentsorgung, die Subventionen der nationalen Kohle … Die AKWs und die großen Wasserkraftwerke, die längst abgeschrieben sind, kassieren für ihren Strom den gleichen Preis wie die teuersten Technologien im System – Gas und Kohle. Das bedeutet zusätzliche Milliardengewinne für die Energieversorger. Hinzu kommen die Kosten für die Bereitstellung von Erzeugungskapazität. Spanien hat heute mehr als das Doppelte an installierter Kapazität wie zu Spitzentzeiten verbraucht wird. Alleine dafür, dass jemand Kapazität bereitstellt, wird er bezahlt. Diese Regelung stammt aus den Zeiten, als in Spanien dringend neue Kraftwerke gebraucht wurden. Angesichts des Kapazitätsüberschusses ist im Tortendiagramm kein Platz für alle. Eine Regierung muss Entscheidungen treffen, auch wenn diese schwierig sind. Wir brauchen eine koheränte Planung der Energiepolitik.
Wie sieht das für Sie aus?
Spanien muss vom Energieimport abhängiger werden, indem wir auf eigenen Energiequellen setzt. Und das sind – auch wenn das vielen nicht gefällt – Wind und Sonne. Außerdem müssen wir den Energieverbrauch senken, denn die spanische Wirtschaft ist 18 Prozent energieintensiver als der europäische Schnitt. Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil. Und natürlich müssen wir den viel zu hohe CO2-Ausstoß vermindern. Das Geschäftsmodell der Stromversorger basiert bisher auf hohem Verbauch. Wir haben ein Modell der Energievergeudung.
Bei den Erneuerbaren Energie gab es nie eine richtige Planung. Die Regierung arbeitete mit ständig neuen Dekreten.
2004, als das erste Dekret erlassen wird, spielten die Erneuerbaren Energien kaum eine Rolle. Die tatsächliche Entwicklung überraschte dann alle. Das Modell der Sondereinspeisevergütung zog vor allem in der Windenergie Investoren an. Spanien entwickelte eigene Technologie. Es entstand eine Industrie, die zu lokaler und regionaler Entwicklung beitrug und die mittlerweile international Erfolg hat. In nur sechs Jahren wurden mehr als 20.000 MW an Windenergie installiert. Hinzu kommt die Photovoltaik mit über 4.000 MW und der Solarthermik.
Ein Erfolg mit Schattenseiten. Ich denke da an den Photovoltaikboom.
Der Photovoltaikboom ist die Folge eines unflexiblen Systems der Sondereinspeisevergütungen. Das hatte Spekulation zur Folge. Anstatt eine langfristige Lösung zu suchen, wurden wieder kurzfristige Dekrete verabschiedet. Es wurden Installationskontigente festgelegt. Es gibt keine klaren Zielvorgaben mehr. Das führt zur Verunsicherung in der Branche. Die Photovoltaik ist völlig eingebrochen und auch in der Windenenergie ist das Wachstum deutlich zurückgegangen. 2012 laufen alle Pläne aus. Keiner weiß wie es weitergehen wird.
Wäre es nicht besser, die Branche mit einer Reduzierung der Sondereinspeisevergütungen zu regulieren anstatt mit Kontigenten?
Ganz bestimmt. Die Sondereinspeisevergütungen müssten wesentlich flexibler sein. Sie müssen automatisch sinken, wenn immer mehr installiert wird. Das System war bisher sehr bürokratisch und es wurde völlig an der Branche vorbei reguliert.