Der „Dialog mit der Gesellschaft“, wie ihn der algerische Künstler und Schriftsteller Mustapha Benfodil sucht, ist nicht immer leicht. Auf der bekanntesten, arabischen Biennale für zeitgenössische Kunst im Emirat Sharjah wurde seine Installation abgebaut, bevor die Ausstellung mit dem Motto „Verrat“ richtig begann.
„Wilde Literatur“ heißt das Werk des 43-Jährigen, der in Algier lebt und arbeitet. Das Installation bestand aus zwei Fußballteams kopfloser, weiblicher Schaufensterpuppen. Die einen im algerischen, grün-roten Trikot, die andere in weißen Shirts. Die Grün-Roten schmückten Zitate aus algerischen Liedern, Märchen, Gedichten und Kochrezepten, die weißen Sätze aus einem Theaterstück Benfodils mit dem Titel „Die Einäugige“. Es sind Sprachfetzen aus dem Monolog der jungen Sherifa, die von machistischem Religionsverständnis, Gewalt gegen die Frau, von Misshandlung und ihrer Vergewaltigung berichtet.
Scheich Sultan Bin Mohammed Al Qasimi, der in Sharjah herrscht, und seiner Tochter Hoor, die der Biennale vorsteht, war dies zu viel. „Gotteslästerung“ sahen sie in der Installation auf einem öffentlichen Platz unweit einer Moschee. Benfodil musste packen, der Kurator der Biennale, Jack Persekian, nach sechs Jahren sein Amt niederlegen.
„Dass die Worte schockieren, liegt daran, dass Vergewaltigung etwas Furchtbares ist“, verteidigt Benfodil seine Installation. „Wenn das als Angriff auf den Islam interpretiert wird, dann möchte ich das präzisieren. Die Worte beziehen sich auf einem phallokratischen, barbarischen Gott, der die Freiheit tötet. Es ist der Gott der Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA). (…) Mein eigenes Gottesbild hat damit nichts zu tun.“
Benfodil spricht von seiner algerischen Heimat mit 100.000 Toten in den 1990er jahren. Benfodils Heimatstadt Relizane gelangte im Fastenmonat Ramadan 1997/98 zu trauriger Berühmtheit. In nur einer Nacht ermordeten radikale Islamisten 1000 Menschen.
Gewalt – nicht nur in Algerien – ist für Benfodil, der einst Mathematiker und dann Journalist war, immer wieder ein Thema. Zweimal reiste er mitten im Krieg in den Irak, um gegen die Besatzung und ihre Folgen anzuschreiben.
„Es reicht!“, heißt die von Benfodil 2009 mitbegründete oppositionelle Künstlergruppe, die das algerische Regime kritisiert. Benfodil hofft „von ganzem Herzen, dass der revolutionäre Zyklus der unsere Regime erschüttert, unsere Vorstellungswelt, unseren Geschmack, unsere ethischen Grundsätze und unsere Art zu denken verändert“.