© 2008 Reiner Wandler

Gegen den Strom


Vom Provinzbanker zum Global Player. Dies ist nicht etwa die Geschichte eines us-amerikanischen Unternehmers, sondern die des Spaniers Emilio Botín. Der 74-Jährige ist der Chef der Banco Santander. Egal ob in Großbritannien, den USA, ob in Deutschland (Postbank, Dresdner Bank) oder in Benelux, wo eine große Bank zum Verkauf steht, ist Botíns nordspanische Bank mit unter den Interessenten. Erst Ende September gelang ihm ein Clou. Mit dem Kauf des in die Krise geratenen britischen Finanzinstitutes Bradford & Bingley für 770 Millionen Euro wurde die Banco Santander zur drittgrößten Bank in Großbritannien. B&B soll mit der bereits 2004 erstanden Abbey National und der im Juli gekauften Alliance and Leicester fusioniert werden. Damit hält die Banco Santander über 10 Prozent des britischen Bankensektors und 13,3 Prozent des Hypothekengeschäfts.

„Wir müssen optimistisch sein“, gibt Emilio Botín mitten in der weltweiten Finanzkrise als Motto aus. Kein Wunder, denn die Banco Santander profitiert vom Zusammenbruch des Geschäftes mit den Risikohypotheken in den USA, die überall auf der Welt ihre Auswirkungen hat. Neben Europa streckt das spanische Geldinstitut seine Fühler auch in die USA selbst aus. Dort hält Botín bereits 25 Prozent bei Sovereign. Laut unbestätigter Meldungen befindet sich die Banco Santander in Verhandlungen um die zusammengebrochene Washington Mutual und die ebenfalls in einer schwere Krise steckende Wachovia Bank.

Englisch freilich hat der Global Player aus der Provinz immer noch nicht fließend gelernt. Das mussten die Teilnehmer bei der Preisverleihung an die „Beste Bank der Welt 2008“ des Fachblattes „Euromoney“ in London erfahren. Langsam und mit einem Akzent, der es oft schwierig machte, der Rede zu folgen, bedankte sich Botín für die Auszeichnung und gab das Geheimnis seines Erfolges preis: „Wenn Sie ein Finanzinstrument nicht völlig verstehen, kaufen Sie es nicht. Wenn Sie ein Produkt nicht selbst kaufen würden, versuchen Sie es nicht zu verkaufen. Und wenn Sie ihren Kunden nicht gut genug kennen, leihen Sie ihm kein Geld.“

Es sind Grundsätze, die eher an eine Sparkasse als an eine Großbank erinnern. Doch Emilio Botín führte genau damit die 1857 im nordwestspanischen Santander gegründete Familienbank in nur 20 Jahren an die Spitze Europas. Er kaufte sich in Lateinamerika ein, erstand Ende der 80er Jahre die deutsche CC-Bank, kaufte Mitte der 90er die spanische Banesto und fusionierte Ende des Jahrzehnts mit der Banco Central Hispano.

Heute hat die Banco Santander einen Börsenwert von rund 70 Milliarden Euro. Mit 132.000 Angestellten und 65 Millionen Kunden in mehr als 40 Ländern ist sie die Nummer 1 in der Eurozone, das zweitgrößte Unternehmen Spanien und die Nummer 75 im Weltranking. „Die großen Banken verteilen ihr Risiko auf verschiedene Weltregionen“, bewertet Pedro Schwartz, Professor der Madrider Universität San Pablo, die Expansion der Banco Santander. Das Finanzimperium wird mittels eines Informatiksystems, das einst Banesto gehörte, zentral verwaltet. Die Kosten sind dabei weit niedrig, als bei anderen vergleichbaren Häusern.

Banco Santander hat, so scheint es aus der spanischen Bankenkrise in den 80er Jahren gelernt. Damals gingen 50 Geldinstitute, die 20 Prozent der Guthaben des Landes verwalteten, bankrott. Im Unterschied zu anderen Großbanken in Europa spekulierte Botín, soweit bekannt, bei den US-Hypotheken nicht mit. Er konzentrierte sich stattdessen weiterhin auf das Kerngeschäft seines Hauses. Während andere verloren, stiegen in Santander die Gewinne im ersten Semester 2008 um sechs Prozent oder 4,7 Millionen Euro gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr.

Emilio Botín war auch was den Wertverlust der Immobilien angeht vorausschauend. Im Sommer 2007 verkaufte er bis auf das Stammhaus in Santander alle Gebäude seiner Bank und lebt seither zur Miete. Der Erlös belief sich auf rund vier Milliarden Euro, wovon 1,4 Milliarden Gewinn waren. Er investiere sein Geld lieber in die Bank, erklärte der alte Hase des spanischen Geldgeschäfts damals.

Was bisher geschah: