© 2007 Reiner Wandler

Fröhliche Weihnachten


Weihnachten, Madrids närrischste Tage, stehen vor der Tür: Einmal mehr zieht der kollektive Wahnsinn bis zu Drei König die gesamte Stadt in seinen Bann.

Es gilt sich gut vorzubereiten: Um mit dazu zugehören, empfiehlt sich dem Ortsfremden zuerst ein Einkaufsbummel über den Weihnachtsmarkt auf der alt ehrwürdigen, arkadengesäumten Plaza Mayor. Das die zwei Dutzend Buden alle das Gleiche im Sortiment haben, sollte uns nicht stören. Das erleichtert nur unser Vorhaben. Selbst ein Preisvergleich tut nicht Not. Der Plunder kostet überall gleich viel. Unerlässlich für eine weihnachtliche Grundausrüstung ist die traditionelle Rätsche aus Holz, eine Tamborin mit Schellen, ein aufblasbarer, überdimensionaler Hammer und eine Niklausmütze. Wer etwas mehr anlegen will, sollte sich noch ein Furzkissen und eine Monstermaske mitnehmen.


So ausgerüstet geht es ab ins Nachtleben. Niklausmütze auf. Gelegenheit bieten sich mehr als genug. Kein Büro, keine Werkshalle, kein Unikurs, der nicht ein Weihnachtsessen veranstaltet. Die Teilnahme ist ein unbedingtes Muss, schon weil der individuelle Kneipengänger dieser Tage keinen Tisch bekommt. Die komplette Stadt ist reserviert. Nach einem schlechten Menü zu überhöhtem Preis geht es bis in die frühen Morgenstunden durch Bars und Diskotheken. Auf diesen nächtlichen Spaziergängen kommt erstmals unser Weihnachtspack zum Einsatz. Was ist schöner als es in einer großen Gruppe einen flotten Song auf das Jesuskind einzustimmen. Rätsche und Tamborin markieren den Rhythmus. Je später die Nacht, um so lauter. Denn wer vom Weihnachtsessen verschont alleine zu Hause sitzt, hat auch das Recht an unserer Feststimmung teilzuhaben. Zwischendurch teilen wir ganz elegant nach links und rechts mit dem Hammer aus und lachen uns dabei krank. Achtung: Schläge gut verteilen. Wer zu oft den/die selbe/n trifft, könnte damit falsche Hoffnungen wecken.

Verkatert am Arbeitsplatz? Macht nichts, Madrid liegt sowieso lahm. Wer dieser Tage auf die Idee kommt, einen Handwerker zu bestellen, wird auf nächstes Jahr vertröstet. Nur ein Sektor funktioniert, der Einzelhandel. Mit Visa – und selbstverständlich mit Niklausmütze – bewaffnet geht es ab ins Gewühl. Verwaltungsbeamte, Arbeitslose und Hausfrauen tagsüber, der Rest der Bevölkerung bis 21.30 Uhr abends oder an den verkaufsoffenen Sonntagen. Das Auto sollte auf keinen Fall zu Hause gelassen werden. Denn erst im Stau ist Weihnachten so richtig schön. Achtung: Geschenkt wird in Spanien von jeher an Drei König, schließlich wurde das Christkind an diesem Tag mit Weihrauch und Myrrhe überhäuft. Doch da wir den Anschluss nach Europa geschafft haben, gibt es – Visa sei Dank – seit neuestem zweimal Bescherung: am 24.12. und am 6.1.

Am Tag nach Drei König sehen wir uns dann alle wieder am Arbeitsplatz. Ohne einen Cent, Konto und Visa gesperrt. Und obwohl wir wieder einmal für über 200 Euro Lose der Weihnachtslotterie gekauft haben, ging das Glück an uns vorbei. Jetzt beginnt das sparsame Leben, das was die Madrilenen den „Januaranstieg“ nennen. Aber es war ja alles für einen guten Zweck. Schließlich spenden etliche Unternehmen 0,7 Prozent ihrer Weihnachtsgewinne für Projekte in armen Ländern.

Was bisher geschah: