Gute Information ist der halbe Weg zum Erfolg. Das zeigten am Samstag gegen 11 Uhr morgens 101 afrikanische Flüchtlinge. Sie umgingen die Grenzanlage zwischen Marokko und der spanischen Exklave Ceuta. Zuvor hatten sie sich – vermutlich auf einer der unzähligen Internetseiten für Fischer und Schifffahrt im Internet – über die Gezeiten und den Wind schlau gemacht.
Am Wochenende war die Ebbe, dort wo Mittelmeer und Atlantik an der Meerenge von Gibraltar zusammenfließen, besonders niedrig. Der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser betrug mehr als 80 Zentimeter. Normal sind 40. Am Wochenende zuvor wurden gar der Spitzenwert von über einem Meter gemessen, doch stürmte und regnete es. Dieses Wochenende war das Wetter besonders ruhig. Der Frühling hat im südlichen Mittelmeer Einzug gehalten.
Die Grenz-Buhne. Foto: Mario Sánchez Bueno / Wikimedia Commons
Die Einhundert Schwarzafrikaner umgingen die Buhne, die den Grenzzaun ins Meer hinein verlängert und gelangte auf einige Felsen, die vor dem spanischen Ufer dank des niedrigen Wasserstandes begehbar waren. 20 Flüchtlinge gelangten direkt an den Strand. Der Rest harte erst einmal auf den Felsen aus. „Boza, boza!“ – „Sieg, Sieg!“ riefen sie, als sie nach und nach an Land gingen. Die Flüchtlinge wurden alle in ein Auffanglager gebracht, in dem sich bereits 603 Insassen befanden. Mindestens sechs der Immigranten wurden mit Schnittwunden und Prellungen in ein Hospital eingewiesen. Keiner von ihnen sei ernsthaft verletzt, heisst es von offizieller Seite. Weitere Einhundert Flüchtlinge hatten weniger Glück. Sie wurden von der marokkanischen Gendarmerie frühzeitig abgefangen.
Ceuta ist eine der beiden spanischen Garnisonsstädte an der nordafrikanischen Küste. Immer wieder versuchen Flüchtlinge den dreifachen, bis zu sieben Meter hohen Grenzzaun zu überwinden. Zuletzt gelang dies vergangene Weihnachten 185 Schwarzafrikanern. Im Januar scheiterten 250 Flüchtlinge an der marokkanischen Grenzpolizei. Auch sie umgingen die Grenzanlagen auf dem Weg über das Meer. Seit Jahren plant Spanien die Buhne zu verlängern. Doch wurde das Vorhaben immer wieder verschoben.
Der Weg um die Buhne – dieses Mal auf der anderen Seite der Exklave – sorgte 2014 für traurige Schlagzeilen. Am 9. Februar versuchten Dutzende Flüchtlinge bei weitaus ungünstigeren Meeresbedingungen die Grenzanlage schwimmend zu umgehen. Die spanische Guardia Civil schoss mit Gummigeschossen und Tränengas auf die Schwimmeden. Es kam zu einer Massenpanik. Die Bilanz: 15 Tote.
Seit den großen Flüchtlingsbewegungen über die Türkei nach Griechenland und von dort über die Balkanroute ist Spanien aus den Nachrichten verschwunden. Von den über eine Million Flüchtlingen, die 2015 nach Europa kamen, wählten nur 3.845 mit Erfolg eine der Routen nach Spanien.