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Haftbefehl wegen Völkermord

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Spaniens Diplomaten befürchten eine rapide Verschlechterung der nachbarschaftlichen Beziehungen mit Marokko. Der Grund: Richter Pablo Ruz am Obersten Strafgericht in Madrid lässt seit Donnerstag sieben hochrangige, marokkanische Beamte per internationalem Haftbefehl wegen Verdachts auf Völkermord suchen. Zusammen mit vier weiteren werden sie des „systematischen Angriff auf die sahrauische Zivilbevölkerung durch Armee und Polizei“ in den Jahren 1976 bis 1991 beschuldigt. Dies habe – so der Ermittlungsrichter in seinem 40-seitigen Abschlussbericht – „die vollständige oder teilweise Zerstörung der einheimischen Bevölkerung“ der Ende 1975 von Marokko besetzten, ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara zum Ziel gehabt, um sich „das Gebiet anzueignen“. Unter den per Haftbefehl gesuchten befinden sich hohe Funktionsträger der Gendarmerie sowie des Innenministeriums und der Regionalverwaltung der besetzen Gebiete.

Die spanische Justiz fühlt sich für die Westsahara zuständig, da der Landstrich an Afrikas Küste, gegenüber der Kanarischen Inseln bis zu seiner Besatzung durch Marokko 1975 spanische Provinz war. Alle Opfer jener Besatzung hatten damit einen spanische Pass und galten als spanische Staatsbürger. 1991 vermittelte die Vereinten Nationen eine Waffenstillstand zwischen Marokko und der sahrauischen Polisario, die für die Unabhängigkeit der Westsahara eintritt. Ein geplantes Referendum über die Zukunft der Region scheiterte bis heute am Widerstand Rabats.

Die Ermittlungen gehen auf das Jahr 2006 zurück. Auf Betreiben mehrere sahrauische Familien, die durch die marokkanische Besatzung Angehörige verloren haben, nahm der spanische Starrichter Baltasar Garzón, der durch die Verfolgung des ehemaligen chilenischen Diktator Augusto Pinochet international bekannt wurde, das Verfahren auf. Als Garzón später, im Laufe von Korruptionsermittlungen gegen die in Spanien regierende Partido Popular (PP) mit Berufsverbot belegt wurde, übernahm Richter Ruz die Ermittlungen.

Die Angehörigen der Opfer berichten von Massenerschießungen, Folter, Verschwindenlassen und Bombardierung von Zeltcamps der Normaden sowie Feldlazaretten mit Napalmbomben. Ein alte Frau sei von den marokkanischen Soldaten in eine Decken eingewickelt, mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leib verbrannt worden. Eine inhaftierten Mutter seien die abgeschnittenen Finger ihres Neugeborenen im Essen serviert worden. Die Exhumierung eines Massengrabes in der Wüste 2013 bestätigte einen Teil der Anschuldigungen der Familien.

„Der Bericht beendet 40 Jahre Straffreiheit“, zeigt sich Manuel Ollé zufrieden. Der spanische Jurist ist der Koordinator eines zehnköpfigen Anwaltsteams, das die Menschenrechtsverletzungen in der Westsahara zur Anzeige brachte und die Angehörigen der Opfer rechtlich betreut. Ob es jemals zu einem Verfahren kommen wird, ist ungewiss. Denn Marokko wird die Beschuldigten wohl kaum an Spanien ausliefern. Allerdings schränkt das verfahren deren Bewegungsfreiheit nicht unerheblich ein. Sobald sie ihr Land verlassen, wird der internationale Haftbefehl wirksam. Je nach Land droht dann eine Auslieferung an Spanien.

 

Bleibt abzuwarten, wie Rabat auf internationaler Ebene auf die Ermittlungen reagiert. Im Falle von Untersuchungen in Frankreich in deren Folge der Chef des marokkanischen Geheimdienstes verhört wurde, als er in Paris zu Besuch war, brach Rabat jedwede Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung ab. Erst nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo tauschte Rabat wieder Informationen aus. Bei Missstimmung zwischen Rabat und Madrid handhabt Marokko gerne die Bewachung der Südgrenze der EU etwas laxer. Große Flüchtlingsanstürme fallen immer wieder mit diplomatischen Konflikten zusammen.

Was bisher geschah: