Sportliche Erfolge sind gut fürs kollektive Selbstbewusstsein. „Spanier zu sein ist keine Ausrede mehr“, steht auf den roten Shirts zu lesen, die viele Jugendliche tragen. Erstmals tauchten sie während der Fußball-Europameisterschaft vor zwei Jahren auf. Jetzt, nach dem WM-Sieg Spaniens, sind sie wieder da. Einer der großen Sportbekleidungshersteller kam auf die Idee und trifft damit das Empfinden einer ganzen Generation.
Viele derer, die heute studieren, oder als Berufsanfänger ihre Frau oder ihren Mann stehen, wollen etwas erreichen. Anders als ihre Eltern oder Großeltern sind sie dabei stolz auf die Marke España. Sie sprechen Sprachen, studieren und machen Praktikas in Europa. Sie suchen ein Platz für sich und ihr Land. Dabei geht es nicht darum, wie sie als Spanier Europa sehen. Darüber gibt es nicht einmal Umfragen. Es geht ihnen darum, was die Europäer dort auf der anderen Seite der Pyrenäen von Spanien halten.
„Spanien ist wirtschaftlich gesehen die Nummer 8 weltweit, und dennoch sind wir nicht unter den ersten zehn, die bei Umfragen den Leuten in den Sinn kommen“, erklärt Professor Carles Torecillas von der bekannten Wirtschaftshochschule Esade. Die Marke España sei noch immer von Klischees behaftet, fügt sein Kollege vom Königlichen Institut Elcano, Javier Noya, hinzu. „Wir haben große sportliche Erfolge in Einzeldisziplinen wie im Tenis gefeiert, doch jetzt haben wir gezeigt, dass wir auch als Kollektiv in der Lage sind etwas zu erreichen“, sagt Noya.
Die junge Generation lebt die sportlichen Erfolge als die ihren. Weltoffen wie ein Rafa Nadal, beliebt wie ein Fernando Alonso und durchsetzungsfähig wie die Nationalelf, so soll ihr Spanien sein. Vorbei sind die Zeiten, als Spanier von den Auslandsreisen vor allem stereotype Anekdoten mit nach Hause brachten: Das schlechte Essen in den Niederlanden, arrogante, chauvinistische Franzosen, warmes Bier in England, von denen die Untertanen der König Elisabeth dennoch zu viel trinken, oder die überordentlichen und überorganisierten Quadratschädel aus Deutschland und die Sexy-Mädels in Skandinavien.
Und vorbei sind vor allem auch die Zeiten, in denen das eigene Bild den Klischees der noch unter Diktator Franco erfunden Dreieinigkeit der Tourismuswerbung – Strand, Sonne, Flamenco – folgt. Der Slogan „Spain is different“ der einst auf allen Werbeplakaten für das Urlaubsziel Spanien prankte, dient heute nur noch, um nach einem Misserfolg oder einer nationalen Peinlichkeit Selbstkritik zu üben.
„Sollen doch die anderen die Erfindungen machen und wir profitieren von den Erfindungen. Ich hoffe, du bist davon überzeugt wie ich, dass das elektrische Licht hier so hell macht, wie dort wo es erfunden wurde“, beschrieb einst der bekannte spanische Schriftsteller Miguel de Unamuno, wie die Spanier aus den eigenen Unzulänglichkeiten eine Tugend machten. Jetzt – 100 Jahre später – exportiert Spanien Spitzentechnologie ins restliche Europa und sogar in die USA. Wenn es nach den jungen Generationen geht, ist dies erst der Anfang.