© 2016 Reiner Wandler

Säbelrasseln in der Wüste

Der über 40 Jahre alte Konflikt um die „letzte Kolonie Afrikas“ droht erneut auszubrechen. Lange nicht mehr war Krieg in der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara so nahe wie dieser Tage. Panzer rollen in der seit 1975 von Marokko besetzten Teilen der Westsahara. In den Gebieten, die von der Befreiungsbewegung Polisario gehalten werden, rüsten sich die Kämpfer für eine eventuelle bewaffneten Überfall durch die königlich, marokkanischen Truppen.

Polisario_troops

Eine Einheit der Polisario

Ausgerechnet eine Friedensmission löste die Spannungen aus. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen (UNO) Ban Ki-Moon reiste Anfang März in die Region. Marokkos König Mohamed VI. empfing ihn weder in der Hauptstadt Rabat, noch durfte er in die besetzten Gebiete fahren. Ban musste sich mit einem Besuch der von der Polisario unterhaltenen sahrauischen Flüchtlingslager in Algerien zufrieden geben. Dort wurde er von der Exilregierung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara empfangen.

Ban benutze das Wort „Besatzung“ und versprach alles zu tun, um doch noch ein Referendum über die Zukunft der Westsahara abzuhalten. Dies war 1991 – nach knapp 16 Jahren Krieg – bei einem von der UNO ausgehandelten Waffenstillstand zwischen Marokko und der Polisario vereinbart worden. Stattgefunden hat es bis heute nicht. Denn Rabat blockierte die Vorbereitungen erfolgreich. Offiziell ist die Westsahara fester Bestandteil des marokkanischen Königreiches. „Südprovinzen“ werden die besetzte Gebiete genannt. Wenn überhaupt ist Mohamed VI. bereit, der Region eine Autonomie zuzugestehen. Es geht um Ressourcen. Der Wüstenboden ist reich an Phosphat, die Gewässer an der Atlantikküste reich an Fisch und der Meeresgrund verspricht nach jüngsten Untersuchungen größere Erdölvorkommen.

„Die UN hat die Neutralität aufgegeben“, beschwerte sich die Regierung in Rabat nach Bans Besuch, mobilisierte Hunderttausende zur Verteidigung der Einheit des Königreiches auf die Straßen von Rabat und wies am 25. März alle 84 zivilen Mitarbeiter der UN-Friedensmission in der Westsahara, der MINURSO, aus. Ein militärischer Stützpunkt der Blauhelme musste geschlossen werden. Die UN-Soldaten hätten sich mit Separatisten getroffen, heisst es zur Begründung.

Als „respektlos“ gegenüber ihm und der UNO bezeichnet Ban die Politik Marokkos und verlangt die Rückkehr der MINURSO-Mitarbeiter. Denn ohne ziviles Personal sind die Blauhelme nicht wirklich handlungsfähig. Vergebens. „Die Entscheidung ist Ausdruck unserer Souveränität und unwiderruflich“, erklärt das Aussenministerium seiner Majestät Mohamed VI.

„Es geht nicht um den Besuch des UN-Generalsekretärs“, ist sich der Minister für Beziehungen mit Lateinamerika und der Karibik in der sahrauischen Exilregierung, Mansur Omar, sicher. „Es ist vielmehr eine Strategie, um die MINURSO auszuhöhlen und zu einem reinen Wächter der aktuellen Zustände zu machen.“ Marokko habe die jahrzehntelange Blockade des Referendums für die eigenen Ziele genutzt. Die Ansiedlung von mehr als 300.000 Marokkanern und die Flucht von mindestens der Hälfte der Sahrauis nach Algerien hat die Bevölkerungsstruktur tatsächlich radikal geändert.

Die Polisario in den Flüchtlingscamps und die Aktivisten in den besetzen Gebieten befürchten nach der Ausweisung der MINURSO-Mitarbeiter eine erneute Repressionswelle. Mehr als 70 Sahrauis sitzen für friedliche Proteste gegen die Besatzung in marokkanischen Gefängnissen. Sie wurden meist von Militärgerichten abgeurteilt. Folter ist – so bestätigt Amnesty International – in dem nordafrikanischen Königreich, das jetzt von der Bundesregierung zum „sicheren Herkunftsland“ erklärt werden soll, nicht nur gegen Sahrauis an der Tagesordnung.

Aktivisten aus den besetzten Gebieten veröffentlichten vergangene Woche Videos, die die Verlegung von marokkanischen Panzer in die besetzten Gebiete zeigen. Ihr Ziel dürfte die 2.700 Kilometer lange Mauer sein, mit der Marokko seinen Teil der Westsahara und das von der Polisario gehaltene Landesinnere trennt.

In den Camps in Algerien werden vor allem unter den jungen Sahrauis, die nie etwas anderes als ein Dasein als Flüchtling kennengelernt haben, die Stimmen für einen Rückkehr zu den Waffen immer lauter. Die Polisario hat ihre Truppen in Alarmbereitschaft versetzt. Anfang April werden sie mit schwerem Geschützt und Panzern das bisher größte Manöver seit dem Waffenstillstand von 1991 abhalten. „Eine mögliche Rückkehr zu den Feindseligkeiten wird nicht zeitlich und räumlich begrenzt sein. Dieses Mal wird der Krieg erst mit der völligen Befreiung unserer besetzten Heimat enden“, warnt Minister Mansur Omar./Foto: Saharauiak

Was bisher geschah: