© 2015 Reiner Wandler

Der Rechenfehler

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Es ist ein schwerer Schlag für Spaniens konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Die EU-Kommission ist mit seinem Haushalt für 2016 nicht zufrieden. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici erklärte am Montag in Brüssel, Spaniens Haushaltsdefizit werde gegen alle Vereinbarungen auch 2016 deutlich über drei Prozent des BIP liegen. Die der Haushaltsplanung zugrundeliegenden wirtschaftlichen Prognosen wirkten „eher optimistisch“, heisst es aus Brüssel. Der Kommissar verlangt deshalb Nachbesserungen beim Budget. Für Rajoy ist das alles andere als eine gute Nachricht nur etwas mehr als zwei Monate vor den Wahlen am kommenden 20. Dezember.

„Jetzt ist es an der Zeit dafür zu arbeiten, dass die Mehrheit der Spanier die Krise überwinden“, hatte Rajoy vor dem Sommer angekündigt und im Schnellverfahren einen Haushalt für das kommende Jahr ausarbeiten lassen. Und das obwohl es alles andere als wahrscheinlich ist, dass der Musterschüler Brüssels – wie er sich selbst gerne darstellt – erneut ins Amt gewählt wird.

Rajoy will Steuern senken, Renten anheben und den Beamten einen Teil der Kürzungen ihrer Gehälter erlassen. Und für das abtrünnigen Katalonien soll es mehr Investitionen geben. All das soll die vier vergangenen harten Jahre vergessen machen und Stimmen bringen, hofft Rajoy. Alleine die Steuerreform, die obere Einkommensklassen besonders begünstigt, kostet – so rechnet die größte Tageszeitung Spaniens El País vor – um die zehn Milliarden Euro.

„Ein vergiftetes Geschenk“, nennt die die Opposition den Haushalt und verweist darauf, dass im neuen Jahr, nach den Wahlen erneute Kürzungen auf die Bevölkerung zukommen könnten. Die Kritik aus der EU-Kommission gibt Rajoys Gegnern jetzt recht.

Denn die spanische Regierung gehe – so die Stellungnahme aus Brüssel – von einen zu hohen Wachstum und damit von zu hohen Steuereinnahmen aus. Der Effekt der Krise in den Schwellenländern sei nicht eingerechnet worden. Während Madrid mit 3,3 Prozent Wachstum für dieses Jahr und 3,0 Prozent für 2016 rechnet, glaubt Brüssel höchstens an 3,1 und 2,7 Prozent.

Die Regierung rechnete bei der Erstellung des Haushaltes im Sommer von einem Zuwachs der Steuereinnahmen um 6,2 Prozent. Tatsächlich dürfte es kaum mehr als 5 Prozent werden. Auch bei der Sozialversicherung liegt die Zahl der zusätzlichen Einnahmen wesentlich geringer, als was veranschlagt wurde. Zudem will Rajoys Regierung Gelder bei der Unterstützung der Arbeitslosen freisetzen. Nur der Arbeitsmarkt erholt sich nicht in dem Masse, wie das nötig wäre. Noch immer sind nach offiziellen Zahlen 22 Prozent ohne Job, bei jungen Menschen ist es knapp die Hälfte.

Die Folgen dieser Haushaltspolitik liegen auf der Hand. Spanien wird weder die Staatsverschuldung von über 100 Prozent senken können, noch wird das Haushaltsdefizit wie versprochen in diesem Jahr bei 4,5 Prozent und 2016 bei 2,8 Prozent liegen. Es werden vielmehr 4,5 und 3,5 Prozent sein, befürchtet Brüssel und fordert eine umgehende Überarbeitung des Haushaltes. Für das kommende Jahr bedeutet dies weitere zehn Milliarden Euro an Einsparungen.

Rajoy will von der Kritik aus Brüssel nichts wissen. „Spanien wird sein Defizit einhalten“, beteuerte er bei einem Besuch in New York. „Wir sind ruhig. In Spanien hat sich die Konjunktur erholt, es entstehen Arbeitsplätze, dadurch steigen die Steuereinnahmen, so dass die Erfüllung des Defizitzieles in greifbare Nähe ist“, rechnet er einmal mehr vor. Ein Trost bleibt Rajoy bei aller Kritik. Brüssel hat kein Interesse daran, dass Spaniens Konservativen ähnlich wie deren Gesinnungsgenossen in Griechenland und Portugal abgelöst werden. Deshalb müssen die Nachbesserungen am Haushalt erst nach den Wahlen, von der neuen Regierung vorgenommen werden.

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Meine Meinung

Der Wandel beginnt im Süden

Portugal könnte doch eine Linksregierung bekommen. Die Sozialisten verhandeln dieser Tage mit dem kommunistisch-grünen Bündnis CDU und dem linken Bloco. Alle drei zusammen halten seit den Parlamentswahlen Anfang des Monates rund 60 Prozent der Sitze im Parlament. Gemeinsam könnten sie die konservative Regierung von Passos Coelho, die im Auftrage Brüssels und Berlins ohne jegliche Widerrede ein hartes, unsoziales Sparprogramm umgesetzt hat, ablösen. Portugal wäre dann, nach Griechenland, das zweite Mitgliedsland der Eurozone, dass aus dem Austeritätskonsens ausschert.

Auch im benachbarten Spanien kämpfen die Konservativen unter Ministerpräsident Mariano Rajoy ums Überleben. Steuergeschenke und eine teilweise Rücknahme der Kürzungen sollen es richten. Das ganze hat nur einen Hacken. Das Geld dazu ist nicht in der Kasse, Brüssel hat dies jetzt bemängelt. Das ist Wahlkampfmunition für Opposition aus der sozialistischen PSOE und der jungen Protestpartei Podemos. Wenn Rajoy am 20. Dezember die Wahlen verlieren sollte, wären es schon drei Länder, die zumindest tendenziell einen neuen Kurs in Europa verlangen würden. Im nächsten Jahr könnte dann mit Irland und einem dortigen Sinn Fein Sieg gar ein vierter Euro-Staat hinzukommen.

Sicher werden weder in Portugal noch in Spanien die Sozialisten einen so harten Kurs gegen Schäuble und die Eurogruppe fahren, wie dies der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras versucht hat. Doch sie sind dazu gezwungen Änderungen in Brüssel herauszuholen.

Ohne einen Politikwechsel gibt es keine Parlamentsmehrheit auf der Linken. Und ihre bisherige Unterstützung der Sparpolitik haben die Sozialisten in den Krisenländern teuer bezahlt. In Griechenland sind sie in die Bedeutungslosigkeit abgesackt, in Portugal erholen sie sich nur mässig und in Spanien ist ihr Sturzflug noch immer nicht beendet.

Was bisher geschah: