© 2015 Reiner Wandler

Spanische Sprache – starke Sprache

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Ein Hashtag – Schlagwort – mit Schreibfehler bringt es zum Trending Topic – Spitzenthema – bei Twitter. So geschehen in Spanien in den Tagen rund um das griechische Referendum. International wurden die Kurznachrichten und Meinungen zum Thema mit #Greferendum verschlagwortet. In Spanien schrieb das irgendwer falsch und keiner merkte es. Das Schlagwort mutierte zu #Grefenderum und wurde so wieder und wieder kopiert. Der Schreibfehler hatte bald mehr Einträge als das richtige Schlagwort.

Kann passieren. Ja. Doch das Interessante daran: Der Schreibfehler folgt einer Logik, die der spanischen Sprache inne wohnt. Die Dyslexie – das Verdrehen von Buchstaben – ist in der Sprache von Cervantes vorprogrammiert, ganz offiziell. So heißt das Krokodil in allen Sprachen so, wie es einst die alten Hellenen tauften: Crocodylia – nach dem wissenschaftlichen Namen. Nur das Spanische folgte dem nicht. Es wurde daraus ein „cocodrilo“ und so steht es im Wörterbuch.

Offizielle Beispiele für dieses Sprachphänomen gibt es wenige. Doch sind diese Art Buchstabendreher in der Umgangssprache weit verbreitet. So heissen zum Beispiel die Kroketten im Wörterbuch „croquetas“ doch wer bei der Schwiegermutter zum Essen eingeladen wird, bekommt dort schon mal „cocretas“ aufgetischt.

Bei anderen Wörtern werden schwierige Konsonantengruppen einfach ignoriert. So ruft der Madrilene kein Taxi – ausgesprochen wie in vielen anderen Sprachen auch „Taksi“ – sondern einen „tasis“. Eine andere Hürde, die der Spanier gerne umgeht sind „st“ oder „sp“ am Anfang eines Wortes. Dieser Laut gilt als ein völlig unmögliches Unterfangen. Die Lösung: Es wird ein „e“ vorangestellt. Die Konsonantengruppe wird so zum Zweisilber und der lässt sich leichter aussprechen. Die Rolling Stones werden zu den „Rolin Estones“ und Straßbug heisst ganz offiziell auf spanischsprachigen Landkarten „Estrasburgo“.

Selbst in der Presse lässt sich so manche Blüte finden. Der deutsche Ex-Kanzler Helmut Kohl wird, auch Jahrzehnte nachdem er die europäische Politik prägte und in Spanien wegen seiner Freundschaft mit dem dortigen Premier Felipe González beliebt war, immer noch gerne „Khol“ geschrieben. Um von der Aussprache des im spanischen inexistenten „h“ ganz zu schweigen: Der angehauchte „Helmut“ wird zum harten „Chelmut“. Den Spaniern klingt das besonders deutsch.

Sein Nachfolger Schröder wurde und ist bis heute „Esreder“, „Esroder“, „Eschreder“. Das Ö sprachen, wenn überhaupt, dann nur die Deutschlandkorrespondenten von Funk und Fernsehen richtig aus. Kein „e“ vor das „sch“ zu basteln, das gelang auch ihnen meist nicht. Sein Vorname, das weiss jeder, lautet „Gerchar“.

Auch mit dem derzeitigen Bundesfinanzminister Schäuble haben die Spanier nicht nur ihre politische sondern auch ihre linguistische Probleme. Der Spar-Badner muss sich mit „Tschaubel“ oder „Schaubel“ abfinden. Sicher stört ihn das nicht, solange er das Kommando über Spaniens Wirtschaft fest in der Hand hat. Und das hat er, daran zweifelt niemand, egal wie der Mann nun richtig heißen mag.

Es ist die Unfähigkeit einer Sprache sich anzupassen, sollte man meinen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Spanisch ist eine der stärksten, modernen Sprachen. Sie entwickelt sich weiter und nimmt alle möglichen Einflüsse auf. Am deutlichsten ist das in den USA zu sehen.

Längst sprechen die „Hispanos“, die aus völlig unterschiedlichen Ländern Südamerikas stammen, ihr eigenes us-amerikanisches Spanisch, durchsetzt mit angepassten, englischen Ausdrücken. „Spaninglish“ nennt sich das ganze dann. 70 Prozent der jungen Latinos zwischen 15 und 26 Jahren benutzen genau dieses Mischmasch im Alltag. Natürlich können sie auch reines Englisch, wenn es sein muss.

Es ist das erste Mal in der Geschichte der Einwanderernation USA, dass eine Sprache nicht einfach verschwindet. Das Deutsch, das Französisch, die asiatischen Sprachen, alle machten sie in nur zwei oder drei Generationen endgültig dem Englischen Platz. Nicht so das starke Spanisch. Die USA ist mittlerweile die Nummer 2 auf der Liste der Länder, in denen die 470 Millionen von Hause aus Spanischsprechenden leben.

Mit knapp 53 Millionen spanischsprachigen Einwohnern – 41 Millionen Muttersprachlern und 11,6 Millionen, die Spanisch und Englisch gleichermassen beherrschen – liegen die Vereinigten Staaten hinter Mexico (121 Millionen) und vor Spanien (45 Millionen). Keine Sprache wächst so schnell in den USA, wie das Spanisch. von 11 Millionen 1980 auf die besagten 53 Millionen heute, nur 35 Jahre später. Und dem Spanisch gehört die Zukunft. in weiteren 35 Jahren, im Jahr 2050, werden – so die Schätzungen – 138 Millionen US-Amerikaner und Einwanderer spanisch sprechen. In Teilen des Südens der USA – New Mexico, Arizona, Texas – ist bereits jetzt knapp die Hälfte der Einwohner spanischsprachig. Selbst in der Stadt New York sind es 18 Prozent.

Was bisher geschah: