© 2014 Reiner Wandler

Jagd auf Schwarzafrikaner

charles ndour pic

In der nordmarokkanischen Küstenstadt Tange herrscht Progromstimmung. Seit Wochen greifen im Stadtteil Boukhalef immer wieder mit Macheten, Knüppeln und Steinen bewaffnete Marokkaner schwarzafrikanische Immigranten an. In der Nacht vom vergangenen Freitag auf Samstag wurde vom Mob der Senegalese Charles Alphonse Ndour getötet, in dem ihm mit einem Messer die Halsschlagader durchtrennt wurde. Ein Flüchtling von der Elfenbeinküste, Kante Adama, erlag nach schweren Hieben mit einer Machte auf den Kopf im Krankenhaus Mohamed V. seinen Verletzungen. Mindestens 14 weitere Schwarzafrikaner mussten behandelt werden. Einer von ihnen war aus dem zweiten Stock gesprungen, um den Angreifern zu entgehen. Mehrere Wohnungen wurden geplündert und die Habseligkeiten der Flüchtlinge auf der Straße verbrannt. Die Polizei blieb weitgehend untätig.

Anders in den Tagen darauf. Am Samstag löste die Polizei gewaltsam eine Demonstration von Flüchtlingen im Stadtzentrum von Tanger auf. Und am Sonntag wurden nach einer Demonstration in der marokkanischen Hauptstadt Rabat am vergangenen Sonntag, bei der Dutzende von Schwarzafrikanern vor die Botschaften ihrer Heimatländer zogen, um Schutz zu fordern, wurden mindestens 35 Flüchtlinge verhaftet. 27 sollen – so Berichte von marokkanischen Menschenrechtlern und Betroffen selbst, umgehend abgeschoben werden. Mittlerweile soll der Chef der Sondereinsatzkommandos abgesetzt worden sein.

Marokkanische Menschenrechtler und die in Boukhalef lebende spanische Migrationsforscherin Helena Maleno werfen den Behörden vor, die Übergriffe zu lange geduldet zu haben, mit dem Ziel die Stadt Tanger von Schwarzafrikanern zu säubern. Alleine in Boukhalef warten über 1.000 Flüchtlinge auf eine Gelegenheit nach Europa zu kommen. Die Lage in Boukhalef ist angespannt, seit im Dezember 2013 ein Flüchtling auf bis heute ungeklärte Weise durch einen Sturz aus dem vierten Stock getötet wurden.

Die Spanierin Maleno wurde am 15. August selbst Ziel von Aggressionen. Als „spanische Hure“ beschimpfte sie ein schwerbewaffneter Mob, grabschte sie an und schubste sie herum. „Die Immigranten halfen mir“, berichtete sie. „Sie riefen ‚Scheiß Christen‘, lassen den ‚heiligen Krieg‘ hochleben und fordern die Immigranten auf ‚ins Wasser zu gehen'“, erinnert sich die Frau, die unter anderem mit Women´s Link Worldwide, Save the Children, und der NGO Caminando Fronteras/Walking Borders zusammenarbeitet. „Es sind keine spontanen Aktionen“, sagt Maleno. Es handle sich um rassistische, ultra-islamistische Gruppen.

In Marokko sollen rund 30.000 Immigranten aus Schwarzafrika auf eine Gelegenheit warten, nach Europa zu gelangen. Die Regierung in Rabat beschloss vor wenigen Monaten eine Legalisierung. 16.000 sollen sich gemeldet haben. 3.000 wurde eine Aufenthaltsgenehmigung zugesprochen. Marokko nutzt die Flüchtlingsfrage immer wieder, um Nachbar Spanien und die EU unter Druck zu setzen. So gelangten in der ersten Augusthälfte in nur 48 Stunden 1.300 Flüchtlinge mit Booten an Spaniens Küste. Forscherin Helena Maleno berichtet damals, dass die Polizei von den Stränden abgezogen und dies den Flüchtlingen mitgeteilt wurde. Wenige Tage später fand der Übergriff auf sie statt.

Was bisher geschah: