© 2014 Reiner Wandler

Ein ständiges Auf und Ab

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Als „staatlicher Saisonarbeiter“ stellt sich David Beniliam gerne vor, wenn er nach seiner Beschäftigung gefragt wird. Der 28-jährige Fotograf ist der Prototyp des jungen Spaniers. Seit Abschluss seiner Studien vor sechs Jahren arbeitete er insgesamt zwei Jahre, davon nur vier Monate in seinem Beruf, den Rest als Pflegehilfspersonal in allen möglichen Krankenhäusern und Gesundheitsposten des spanischen Sozialsystems. Dann vertritt er kranke Kollegen oder Frauen im Mutterschaftsurlaub. Den Rest war er arbeitslos, meist ohne Bezüge. „Jugendarbeitslosigkeit ist nicht so wie die Arbeitslosigkeit bei älteren Menschen“, weiß er zu berichten. „Es ist ein ständiges Auf und Ab, ein Leben mit prekären Jobs. Ich hatte alle möglichen Verträge, von fünf Tagen bis zu einem Jahr am Stück.“

55 Prozent der jungen Spanier unter 25 sind offiziell ohne Job. Wer diese Altersgrenze überschreitet hat meist auch kein besseres Leben, nur die Statistiken untersuchen dies nicht mehr. Wenn Beniliam mal wieder ohne Arbeit ist, rutscht er gar in eine weitere Problemgruppe, die der Haushalte, in der kein einziges Mitglied arbeitet. Sein Vater verstarb, als er 20 war. Seine Mutter, mit der er zusammenlebt, ist seit vier Jahren ohne Arbeit. Sie verlor ihre Anstellung als Chefsekretärin in einem Zeitschriftenverlag nach mehr als 37 Jahren und ist nun mit ihren mehr als 50 Jahren zwar hochqualifiziert, aber nicht mehr vermittelbar. Die Stütze lief vor mehr als einem Jahr aus. Die Familie lebt von dem was Beniliam verdient oder eben nicht, von einer Witwenrente.

„So manches Mal habe ich daran gedacht, auszuwandern“, berichtet Beniliam. Zuletzt bei einer Reise nach Lateinamerika. „Dort habe ich junge Spanier kennengelernt, die im Tourismusbereich tätig sind.“ Europa kommt für ihn nicht in Frage, den sein Englisch „ist nicht allzu gut.“ Andere Fremdsprachen spricht er nicht. Sein Traum ist von der Fotografie leben zu können. Er sieht sich in der Schule der großen Sozialfotografen des letzten Jahrhunderts. Wenn er etwas Geld zur Seite bekommt, reist er deshalb „immer auf der Suche nach guten Fotos“. Lateinamerika, Russland, Usbekistan … je weiter entfernt von der heimischen Kultur, umso spannender.

Wahlen, Politik, Europa … Beniliam interessiert all das nur wenig. „Ich glaube nicht an die Parteien und die Demokratie“, sagt er. Mit gerade einmal 18 ging er an die Urnen, „und danach nie wieder.“ An den sozialen Protesten, die in den letzten Jahren in Spanien deutlich zugenommen haben, hat er sich kaum beteiligt. „Mit Ausnahme der Aktionen im Gesundheitsbereich gegen die Privatisierung und die Kürzungen“, sagt er. Schließlich ist er hier unmittelbar betroffen. Denn die Qualifizierung für eine Festanstellung hat er längst. Doch freie Stellen werden seit Jahren nicht mehr besetzt, die Arbeitsbelastung nimmt ständig zu, die Gehälter wurden gekürzt.

„Ich bin trotz der schlechten Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht verbittert“, sagt Beniliam. Was ihn am meisten an der Krise schmerzt, sind die ältere Menschen. „Im Krankenhaus und in den Gesundheitsposten habe ich immer wieder mit Rentnern und mit älteren Arbeitslosen zu tun, die alles verloren haben. Das ist das große Drama der letzten Jahre“, ist er sich sicher.

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