© 2013 Reiner Wandler

Die anderen Städteplaner

PEC/ Markt San Fernando/ Madrid

„Das Scheitern des Systems eröffnet neue Möglichkeiten“, zeigt sich Pablo García Bachiller zuversichtlich. Der 32-jährige Architekt aus Madrid hat mit weiteren sechs Kollegen ein Kollektiv gegründet. „Die Architektur der Allgemeinheit zurückgeben“, heißt ihr Motto. „Die Industrie bestimmt alles, damit muss Schluss sein“, fügt der ehemalige Angestellte eines in die Krise geratenen Architekturstudios hinzu. Selbst neue Ideen, wie nachhaltiges Bauen seien fest im Griff der großen Unternehmen, beschwert sich García. Er redet viel von „Empowerment“ der Bürger und viel von horizontaler Vernetzung und Entscheidungsfindung.

„Marktstand im Aufbau“ (PEC) heißt die Truppe, die sich mit weiteren 5 jungen Freiberuflern verschiedenster Disziplinen eine ehemaligen Fischladen in der Markthalle San Fernando im Zentrum Madrids teilt. Alle kommen aus selbstverwalteten Projekten und wollen jetzt ihr alternatives Wissen beruflich anwenden.

Der Name ist Programm. Eines der ersten Projekte an denen García und Kollegen arbeitete war die Rehabilitierung eben dieser Markthalle. Viele Stände standen leer. Die Stadtverwaltung wollte – wie in anderen Märkten bereits geschehen – eine der großen Supermarktketten zur Miete nehmen. Die Händler von San Fernando weigerten sich und suchten nach Alternativlösungen. Junge Freiberufler mit Ideen wurden aufgenommen. Eine Buchhandlung, ein Tattoo-Shop, kleine Restaurants, ein Ökoladen, Kunsthandwerk und eben auch PEC, das Gemeinschaftsbüro im ehemaligen Fischladen.

„Nach dem Ende des Baubooms hat die Industrie die Innenstädte entdeckt“, ist sich García sicher. Neue Normen und ständige Kontrollen der Bausubstanz machten den Erhalt der Gebäude immer teurer. „Die alteingesessenen Wohnungsbesitzer sollen so nach und nach aus dem Zentrum vertrieben werden“, sagt García. Lavapiés, der Stadtteil rund um San Fernando ist eines der Objekte der Begierde. Es ist die ärmste Ecke der Altstadt. Hier leben Rentner, sozialschwache Familien, junge Menschen und viele Immigranten. Ein ideales Objekt für die Gentrifizierung. García und Kollegen beraten Eigentümerversammlungen bei der Rehabilitierungen ihrer Gebäude und entwickeln Methoden, um mit natürlichen Baustoffen energieeffizient zu bauen. „All das werden wir veröffentlichen und frei zugänglich machen, damit es jeder anwenden kann“, erklärt García. Das Geld für die Studie kommt aus einem EU-Fond.

PEC ist nicht das einzige Projekt dieser Art. Über 20 Kollektive, die sich mit Architektur und alternativer Städteplanung beschäftigen, haben sich in einem Netzwerk zusammengeschlossen. Increasis.org – ein Wortspiel aus „In der Krise“ und „Im Wachstum“ – heißt der lose Verbund.

Auch Jon Aguirre Such gehört dazu. Der 29-Jährige ist ebenfalls Architekt. „Am Ende des Studiums platzte die Spekulationsblase“, erinnert sich Aguirre. Mit Studienkollegen kam er auf die Idee die ganze Entwicklung und die Auswirkung auf den Städtebau kritisch zu beleuchten. Zuerst entstand der Blog Paisaje Transversal – Transversale Landschaft – und vor zwei Jahren das gleichnamige Unternehmen.
Jon Aguirre Such
Zusammen mit vier Altersgenossen berät Aguirre Gemeinde- und Stadtverwaltungen sowie Nachbarschaftsvereine in Sachen Städtebau und Bürgerbeteiligung. Sie entwerfen Projekte für behindertengerechte Einrichtungen, und vor allem darüber, wie die Bürger Kulturzentren und andere Einrichtungen als die ihre begreifen können. „Horizontal“ – gleichberechtigte Beteiligung – ist eines der Stichwörter, die auch Aguirre gerne benutzt.

Das kommt nicht von ungefähr. Aguirre war einer der Initiatoren von „Democracia Real Ya!“ – „Echte Demokratie Jetzt!“ – die mit ihrem Aufruf am 15. Mai 2011 erstmals Hunderttausende „Empörter“ auf Spaniens Straßen mobilisierte. Das hat sein Verständnis von Gesellschaft und von Bürgerbeteiligung stark geprägt. Paisaje Transversal ist natürlich breit vernetzt. Die Fünf suchen immer wieder Mitarbeiter und Ideenlieferanten im Internet. „Facebook und Twitter sind auch für die Arbeit wichtige Instrumente. Wir erreichen darüber Tausende von Menschen“, erklärt Aguirre.

Noch können sie – wie ihre Kollegen von PEC auch – mehr schlecht als recht von ihrer Arbeit leben. „Viele Politiker sehen in unseren Projekten, die stark auf Selbstverwaltung setzen, die Möglichkeit sich billig aus der Verantwortung für Kultur und Soziales zu stehlen“, sagt Aguirre. Doch Städteplanung habe nur dann Erfolg, wenn Anwohner, Unternehmen und Verwaltung eingebunden werden, ist er sich sicher. Die Frage nach der Zukunft: „Wir haben uns bis Ende 2014 als Zeitraum gesteckt. Dann werden wir sehen, ob wir von unserer Arbeit einigermaßen leben können oder nicht.“

Was bisher geschah: