Eufemiano Fuentes, lange Zeit der Arzt des internationalen Radsports schlechthin, steht seit gestern vor Gericht. Der spanische Mediziner sieht sich einer Anklage wegen „Verbrechen gegen die öffentliche Gesundheit“ ausgesetzt. Zusammen mit vier weiteren Angeklagten, darunter seine Schwester Yolanda, ebenfalls Sportmedizinerin, und den Teamchefs der Radrennmannschaften Liberty, Kelme und Comunidad Valenciana soll Fuentes Dutzende von Radsportlern mittels „Eigenbluttransfusion“ 2001 bis 2006 gedopt haben. Zwei weitere Beschuldigte werden nicht am Verfahren teilnehmen. Luis Merino Batres, mit dessen Hilfe das Blut mit roten Blutkörperchen angereichert wurde, leidet an Alzheimer und der Radsportler Alberto León verübte 2011 Selbstmord.
© 2013 Reiner Wandler
Blutiges Geschäft
Als Nebenkläger treten unter anderem der Spanische Sportrat, das Italienische Olympische Komitee, die Welt-Anti Doping-Agentur (WADA) sowie der Internationale Radverband (UCI) auf. Den Angeklagten drohen Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren und im Falle der Ärzte ein Lizenzentzug für den gleichen Zeitraum. Hinter Gitter werden sie allerdings nicht müssen, denn in Spanien werden Strafen von unter zwei Jahren und einem Tag zur Bewährung ausgesetzt, soweit keine andere Verurteilung vorliegt. Des Dopings werden die Beschuldigten nicht angeklagt, da ein solches Delikt bis 2006 im spanischen Strafrecht nicht geahndet wurde. Aus diesem Grund sind auch keine Kunden von Fuentes unter den Beschuldigten.
Unter den 35 Zeugen, die bei der Gerichtsverhandlung, die bis Ende März dauern wird, geladen werden, befinden sich allerdings mehrere Sportler. Darunter so bekannte Radrennfahrer, wie der geständige Deutsche Jörg Jaksche, oder der Spanier Alberto Contador, der nach einer zweijährigen Sperre wegen eines positiven Tests auf Clenbuterol bei der Tour de France 2010 weiter aktiv ist.
Die Dopingpraktiken, die jetzt zur Verhandlung stehen, wurden 2006 von der spanischen Polizei Guardia Civil aufgedeckt. Die Beamten suchten nach Vertriebswegen für verbotene Medikamente und stießen stattdessen bei der sogenannten „Operación Puerto“ – „Operation Pass“ – in zwei Madrider Wohnungen auf 200 Beutel mit Blut sowie unzählige Dokumente, die Verbindungen zu verschiedenen Sportlern und Mannschaften aufzeigten.
Gegen die Zahlung von Zehntausenden Euro jährlich nahm Fuentes und seine Mitarbeiter den Radsportlern – und vermutlich auch anderen Athleten, obwohl dies nie geklärt wurde – Blut ab, reicherte es mit roten Blutkörperchen an, und verabreichte die Konserve kurz vor wichtigen Rennen dem jeweiligen Spitzensportler. Der Rennfahrer wurde dadurch leistungsstärker.
Die fraglichen Konserven wurden „nach Sibirien geschickt“, wie Fuentes dies in abgehörten Telefonaten nannte, das heißt, sie wurden auf minus 80 Grad tiefgekühlt und konnten so für unbestimmte Zeit gelagert werden. Fuentes hatte das Verfahren entwickelt und erfolgreich in der Sportwelt bekanntgemacht, nachdem die Dopingkontrollen auch das Mittel EPO, das ebenfalls den Hämoglobinanteil im Blut steigert, nachweisen konnte.
Mehrere bekannte Radsportler wurden in Folge der Ermittlungen gesperrt. Darunter der Italiener Ivan Basso, der deutsche Jörg Jaksche oder dessen Landsmann, der zweimalige Tourgewinner Jan Ullrich. Dieser gestand Jahre später seine Kontakte zu Fuentes und entschuldigte sich dafür.
Im Vorfeld der Gerichtsverhandlung richten sich einmal mehr alle Blicke auf den spanische Radrennfahrer Alberto Contador. Bei der Clenbuterolprobe 2010 wurden auch Plastikrückstände im Blut des Spaniers gefunden. Diese könnten von einer Eigenbluttransfusion stammen vermuteten damals die Anti-Doping-Spezialisten. Beweisen konnten sie es nie.
Die holländische Zeitung NRC Handelsblad veröffentlichte vor wenigen Tagen ein Fax von Fuentes an Contadors damaliges Team Liberty. Darauf sind eine ganze Reihe von Initialen plus entsprechenden Behandlungen zu sehen. Darunter auch die Buchstaben A.C.. Da alle anderen Initialen mit denen von Rennfahren übereinstimmen, vermutet das Handelsblad, dass es sich bei A.C. um Alberto Contador handelt. Fuentes hatte ihn in einem Interview ausdrücklich in Schutz genommen. Contador sei nie Kunde bei ihm gewesen.
Im Laufe des Verfahrens könnte so manche Überraschung auf die Radsportszene zukommen. Denn der holländische Fahrer Thomas Dekker, ebenfalls Kunde bei Fuentes, will in den kommenden Wochen vor der Anti-Doping-Agentur seiner Heimat auspacken. „Ich werde helfen den Radsport zu säubern“, kündigte er auf der Homepage seines Managements an. „Es gibt viele Details und Menschen, die in meine Doping-Vergangenheit involviert waren. Das alles, auch die Namen jener, die mir geholfen haben, werden genannt“, heißt es weiter. Ein erstes Gespräch mit den Verantwortlichen soll bereits Anfang Februar stattfinden. „Die Transfusionen waren der Weg zum Erfolg glaube ich“, bestätigt Dekker: „Fast jeder Top-Fahrer hat sie bekommen.“