© 2012 Reiner Wandler

Zeichen der Krise

Madrid hat sein Krisendenkmal. Es steht – oder besser befindet sich – gleich am Rand des berühmten Viertels, das Sonntag für Sonntag den Flohmarkt der spanischen Hauptstadt, den Rastro, beherbergt. Befindet sich … denn es handelt sich um ein 50 mal 50 Meter großes Loch. Es ist eine der Investitionen, mit deren Hilfe zu Beginn der Krise mit Steuergeldern Arbeitsplätze geschaffen werden sollten. Hier stand bis 2009 eines der wenigen städtischen Hallenbäder in der Innenstadt.

Mit Geldern der Regierung Zapateros, dem sogenannten Plan E, wurde es – obwohl voll in Takt – abgerissen. Die Pläne ein neues, schöneres Gebäude mit Bad, Kraftstudio und vor allem mit teuren Eigentumswohnungen zu errichten, deren Verkauf dann die Stadtkasse füllen sollte, wurde nie umgesetzt. Madrid ist hoch verschuldet und Wohnungen kauft keiner mehr.

Es sind die kleinen Zeichen, wie das Loch vom Rastro, die im Herzen Madrids von der Krise zeugen. Die Werbetafeln in der U-Bahn bleiben leer, die Kneipenwirte halten auf der Straße Ausschau nach vermeintlichen Kunden.
Vorbei sind die Zeiten, als die „camareros“ kein Englisch konnten. Ganz im Gegenteil: Wer heute als Ausländer eine Bar oder ein Geschäft betritt oder in ein Taxi steigt, hat es schwer sein Spanisch an den Mann oder die Frau zu bringen. Mit Schnellkursen haben sich viele Dienstleister auf ihr neues Publikum eingestellt. Bei den Einheimischen sitzt das Portemonnaie fest in der Tasche. Es sind die urbanen Kurzurlauber, die dank Billigjets den Konsum am Laufen erhalten. Viele Madrilenen haben sich längst den guten, alten Brauch abgewöhnt, nach der Arbeit oder nach einem Treffen mit Freunden noch schnell eine „caña“ mit einer „tapa“ zu nehmen. Selbst während der Fußball-EM blieben die Kneipen so gut wie leer.
Den Einheimischen raubt die Krise auch den Schlaf. Nicht etwa weil sie rechnen und rechnen, um bei 25 Prozent Arbeitslosigkeit, steigenden Preisen für Strom, Gas und öffentliche Verkehrsmittel sowie Sozialkürzungen ans Monatsende zu kommen, sondern dank eines Polizeihubschraubers. Dieser kreist seit Monaten Nacht für Nacht über der Innenstadt. Jede noch so kleine Spontankundgebung der „Empörten“ wird sofort geortet. Die „Bodentruppen“ nehmen dann die Personalien der Protestierenden auf.
Die Teilnahme an einer nicht angemeldeten Versammlung an der Puerta del Sol, die im vergangenen Jahr das Protestcamp der „Indignados“ beheimatete, kostet zwischen 300 und 900 Euro Strafe. Doch trotz dieses unerwarteten Geldsegens für die Stadtkasse, wird wohl weiterhin das Loch auf dem Rastro klaffen.

Was bisher geschah: