Trini Deiros versteht die Welt nicht mehr. Die ehemalige Auslandsredakteurin der spanischen Tageszeitung El Público war am Dienstag zusammen mit mehreren Kollegen vor dem Konkursgericht in Barcelona. Sie wollten den Namen und den Internetauftritt ihres ehemaligen Blattes ersteigern, um El Público als Genossenschaft weiterzuführen. 240.000 Euro boten sie. Doch dann machte die Richterin einen Umschlag mit einem zweiten Gebot auf. 412.000 Euro stand da zu lesen. Der Bieter bekam den Zuschlag.
Deiros und Kollegen staunten nicht schlecht. Das Gebot kam von einer Immobilienfirma, gegründet vor knapp drei Monaten. Die Inhaber sind keine anderen als Toni Cases und Jaume Roures, die ehemaligen Besitzer von El Público, die das Blatt nach fünf Jahren im Februar 2012 in den Bankrott gefahren haben. „Sie haben im Frühjahr 85 Prozent der Belegschaft entlassen und nicht einmal die gesetzlich vorgeschriebene Entschädigung bezahlt. Jetzt haben sie plötzlich Geld. Ein Skandal!“ schimpft Deiros. „In diesem Land ist es legal, ein Unternehmen zu verschulden, die Zulieferer und Beschäftigten nicht mehr zu zahlen, Bankrott zu erklären, einen Großteil der Beschäftigten zu entlassen und das Unternehmen dann mit Hilfe einer neuen Gesellschaft zurückzukaufen und die Schulden nicht zu begleichen“, heißt es in einem Kommuniqué der Genossenschaft.
Deiros (41) gehört zu den Redakteuren der ersten Stunde. El Público wurde 2007 gegründet und richtete sich mit einem sozialen, kritischen Journalismus vor allem an die in der Presselandschaft heimatlose Linke. Aus deren Reihen kommt jetzt auch das Geld, das die Gruppe von 30 Ex-Mitarbeitern von El Público gesammelt hat, um die Genossenschaft zu gründen.
Die Niederlage bei der Versteigerung sei ein schwerer Schlag, aber auch eine Chance, sagt Deiros. Die Genossenschaft spare dadurch 240.000 Euro und vor allem müsse sie nicht die Verträge der 26, noch immer beim Internetauftritt Beschäftigten übernehmen. „Wir machen weiter“, sagt Deiros. Die Genossenschaft hat als Namen MásPúblico (Mehr Público oder Mehr Öffentlichkeit) registriert. Eine dazugehörige Web-Domäne funktioniert bereits als Blog. Am Jahrestag der Bewegung der „Empörten“, der am 12. Mai überall in Spanien mit Großdemonstrationen begangen wurde, erschien eine erste Nullnummer unter diesem Namen.
„Noch im Juni werden wir eine zweite Nullnummer herausbringen“, erklärt Deiros. In ihr soll den Lesern – neben Reportagen und analytischen Texten, die ein Vorgeschmack auf die künftige Zeitung sind – erklärt werden, wie es weitergeht. Ziel ist es ab Herbst wieder am Kiosk zu sein und einen eigenen, tagesaktuellen Internetauftritt zu haben. Das Ziel ist eine Wochenzeitung, auch wenn das neue Blatt anfänglich erste einmal monatlich oder zweiwöchentlich erscheinen wird.
„Wir machen Zeitungsgeschichte in Spanien“, zeigt sich Deiros zuversichtlich. Trotz der Niederlage vor Gericht würden die Unterstützer ihre Einlagen nicht zurückziehen. Rund 500 Personen hätten bisher Einlagen gezeichnet oder zugesichert. Der Mindestbetrag für Genossenschaftsanteile beläuft sich auf 1.000 Euro.