Es sind Backsteine, die Spaniens Banken und Sparkassen auf die Füße fallen. Die Geldinstitute finanzierten die Spekulationsblase, die Spaniens Wirtschaft ein Jahrzehnt des Rekordwachstums bereitete. Jetzt drohen die Immobilien in der Bilanz der Geldinstitute den gesamten Finanzsektor in den Abgrund zu reisen.
Während die konservative Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy mit Hochdruck an einer Reform arbeitet, die heute (Freitag) nach der Kabinettssitzung bekanntgegeben werden soll, musste förmlich in letzter Minute das viertgrößte Geldinstitut Bankia verstaatlicht werden. Der Zusammenschluss auf sieben Sparkassen, darunter die der Hauptstadtregion Madrid und der Mittelmeerregion Valencia befindet sich im freien Fall, nachdem ein mit der Buchprüfung beauftragte Unternehmen sich Anfang der Woche weigerte den Jahresbericht abzuzeichnen.
Der Vorstand von Bankia unter dem ehemaligen konservativen spanischen Wirtschaftsminister und Präsident des Internationalen Währungsfonds, Rodrigo Rato, hatte die Immobilien, die das Unternehmen besitzt, mit einem viel zu hohen Wert in die Bilanz eingerechnet. Durch Beteiligung an Wohnbauprojekten, die nie fertig gestellt wurden, und durch Kredite, die von Baugesellschaften und Wohnungseigentümern nicht mehr bedient werden, wurde Bankia nach dem Platzen der Spekulationsblase 2008 unfreiwillig zum größten Immobilienunternehmen des Landes.
Die Regierung übernahm am Mittwoch Abend die Kontrolle bei Bankia indem sie die 4,5 Milliarden Euro an staatlichen Unterstützungsgeldern, die das Geldinstitut bereits erhalten hat, in ein 45-prozentiges Aktienpaket umwandelte. Der Vorstand unter dem neuen Bankia-Präsidenten José Ignacio Goirigolzarri, ein Veterane aus dem Vorstand der großen spanischen Geschäftsbank BBVA, hatte dies wenige Stunden zuvor beschlossen.
Der Fall Bankia ist synthomatisch für Spaniens Finanzsektor. Einer von denen, die schon seit längerem vor dem Risiko des Immobilienbesitzes der Banken und Kassen warnen, ist ausgerechnet Goirigolzarri. „Die Besitzer der Sparkassen werden akzeptieren müssen, dass die Immmobilienwerte ein ganzes Stück unter dem Buchungswert in ihren Büchern liegen“, schrieb er Anfang 2011 in seinem Blog. Weder die spanische Zentralbank, noch die Aufsicht der spanischen Börse, wo die meisten der 45 Sparkassen gehandelt werden, nachdem die Regierung sie zur Fusion zu 15 Banken zwang, verhinderten dies. Die Regierung unter Rajoys Vorgänger, José Luis Rodríguez Zapatero, erklärte immer wieder, dass Spaniens Finanzsektor zu den stärksten Europas gehöre. Die Opposition hinterfragte dies nicht.
Jetzt muss alles schnell gehen, den die Krise bei den Sparkassen und Banken belastet Spaniens eh schon angeschlagenen Kreditwürdigkeit. Die Zinsen und Risikozuschläge für Staatsanleihen erreichen neue Rekordmarken. Zuletzt wurden sie mit über sechs Prozent gehandelt.
Jörg Asmussen, Vorstandsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) verlangt von Spanien „eine vollständige Strategie“ für den Finanzsektor. Er fordert eine unabhängige Bewertung der Vermögenswerte der Geldinstitute und schlägt die Schaffung einer zentralen Bad Bank vor. Die spanische Regierung rechnet mit einem Gesamtvolumen der Immobilienkredite aller Banken und Sparkassen in Höhe von 320 Milliarden Euro. Davon werden 180 Milliarden als „giftig“ eingestuft.
Wirtschaftsminister Luis de Guindos, der bevor er in die Politik wechselte eine leitende Funktion bei Lehman Brother inne hatte, deren Bankrot 2008 die weltweite Finanzkrise auslöste, will den Geldinstituten per Dekret verpflichten, 23 bis 30 Prozent des Kreditvolumens als Rücklagen bereitzustellen. Bisher sind es sieben Prozent.
Das würde die spanischen Geldinstitute mindestens 34 Milliarden Euro kosten. Ohne staatliche Hilfe wäre dies kaum zu bewerkstelligen. Bisher erhielten die spanischen Banken und Sparkassen 15 Milliarden aus einem staatlichen Rettungsfond. Beide Beträge zusammengenommen entsprechen exakt der Summe, die in den letzten beiden Jahren durch Haushaltskürzungen im Sozialbereich sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen gestrichen wurden.