© 2012 Reiner Wandler

#19F – Eine Million sagt Nein

Das Urteil angesichts der Arbeitsmarktreform der konservativen, spanischen Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy ist klar: „Ungerecht, unnütz und wirkungslos“, lautete das Motto unter dem am Sonntag weit mehr als eine Million Menschen in 57 spanischen Städten auf die Straße gingen. Zu den Protesten hatten die beiden großen Gewerkschaften CCOO und UGT gerufen. Die „Bewegung der Empörten“ sowie die Parteien links der Mitte schlossen sich den Mobilisierungen an. In Madrid beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter eine halbe Million Menschen, in Barcelona 400.000 und in Valencia 150.000.


„Das ist eine Reform, die Entlassungen erleichtert“, beschwert sich CCOO-Vorsitzende Ignacio Fernández Toxo. Die Abfindungen für Entlassene wird auf etwas mehr als die Hälfte gesenkt. Künftig macht es keinen Unterschied mehr, ob ein Rausschmiss gerechtfertigt ist oder nicht. Dies stellte bisher ein Richter fest. Jetzt entfällt dies. Außerdem können Massenentlassungen bereits dann durchgeführt werden, wenn der Unternehmer für die nahe Zukunft Verluste befürchtet. Falls ein Betreib drei Quartale lang rote Zahlen schreibt, können die Löhne einseitig gesenkt oder die Arbeitszeit erhöht werden. Wer damit nicht einverstanden ist, hat das Recht „sich selbst zu entlassen“, so das Gesetz. Außerdem wird die Probezeit in Betrieben bis zu 50 Mitarbeitern von drei Monaten auf ein Jahr erhöht. Für Menschen unter 30 sieht das Gesetz einen schlecht bezahlten, einjährigen Anlernvertrag vor.



„Ist die Gefahr entlassen zu werden sehr gering, wird der Anreiz für Leistung genommen und es entsteht Widerstand gegen die Anpassung an neue Notwendigkeiten“, heißt es in der Begründung des Gesetzespakets. „Sklavenbedingungen“, wettern die Gewerkschaften.

Die Arbeitsmarktreform ist nur die letzte einer ganzen Reihe von unpopulären Maßnahmen, die die Konservativen in nur zwei Monaten beschlossen haben. 2012 sollen mehr als 40 Milliarden Euro eingespart werden. Der Betrag kann noch höher sein, je nach dem, wie hoch das Defizit 2011 letztendlich ausfällt. Während die abgewählten Sozialisten von etwas mehr als sechs Prozent redeten, kalkuliert Rajoy mehr als acht Prozent. Brüssel fordert für Ende 2012 4,4 Prozent.


Während die Regierung die Steuern erhöht, wird vor allem in den Regionen die Schere angesetzt. Im Bildungsbereich werden ebenso Stellen abgebaut wie im Gesundheitswesen. Öffentliche Betriebe entlassen Tausende von Arbeiternehmern. Mit der Arbeitsmarktreform wird dies noch leichter. Längst gesteht die Regierung ein, dass nicht – wie im Wahlkampf versprochen drei Millionen neue Arbeitsplätze entstehen werden – sondern die Arbeitslosigkeit weiter steigen wird. 5,3 Millionen Spanier sind ohne Job – das entspricht rund 23 Prozent. Bis zum Ende des Jahres werden es, so die Schätzung des Wirtschaftsministeriums, 5,7 Millionen sein. Die Gewerkschaften befürchten gar sechs Millionen.

Der Konflikt wird sich in den kommenden Monaten verschärfen. Die Demonstrationen vom Sonntag ist nur der Auftakt einer langen Reihe von Mobilisierung. Als Höhepunkt schließen die Gewerkschaften einen Generalstreik nicht aus. Die Regierung kündigt eine Reform des Streikrechts an.

Was bisher geschah: