Das Europaparlament hat am Mittwoch ein Veto gegen das Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und Marokko eingelegt. Damit wird das Abkommen, das im Februar 2012 ausläuft, gegen den Willen der EU-Kommission nicht verlängert. Es ist ein harter Schlag für Rabat und ein Sieg für die Frente Polisario, die für die Unabhängigkeit der durch Marokko besetzten ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara kämpft. Die wichtigsten Fanggründe liegen vor der Küste der Westsahara, direkt gegenüber der Kanarischen Inseln. Brüssel zahlte jährlich für 119 Fanglizenzen – 100 davon gehen an spanische Schiffe – 36,1 Millionen Euro an Marokko.
Die Ausbeutung der Fischbestände vor der Westsahara sei exzessiv und damit schädlich für die Fischbänke. Außerdem kämen sie der dortigen Bevölkerung kaum zu Gute, laute die beiden Hauptargumente des Antrags, der durch den finnischen, liberalen Abgeordneten Carl Haglund gestellt wurde. Das Fischereiabkommen sei somit völkerrechtswidrig.
Zuvor war die juristischen Berater des Europaparlamentes, die von der Grünen Fraktion beauftragt wurden, das Thema Fischereiabkommen zu untersuchen, zum gleichen Urteil gekommen. Da ein solches Gutachten nicht bindend ist, überging es die EU-Kommission einfach. Sie wollte das aktuell gültige Abkommen um ein Jahr verlängern und die Zeit nutzen, um einen neuen Fünf-Jahres-Vertrag auszuhandeln. Das Parlament wies die Kommission jetzt in die Schranken.
Die Westsahara ist seit 1975 von Marokko besetzt. Eine international anerkannte Entkolonialisierung, bei der die Bevölkerung in einem Referendum über ihre Zukunft entscheiden muss, gab es nie. Deshalb ist nach internationalem Recht eigentlich immer noch Spanien rechtlich für den Landstrich zuständig. Mehrere Solidaritätsgruppen aus dem Umfeld der Polisario hatten monatelang in Brüssel Lobbyarbeit in diesem Sinne betrieben.
„Das ist eine klare Botschaft an Marokko die Politik der Besatzung, Annektierung und Repression zu beenden“, lobte der Botschafter der Polisario in Brüssel, Mohamed Sidati, den Beschluss des Europaparlaments. Auch die Fischfangkommissarin der EU, die Griechin Maria Damanaki, die das Abkommen verteidigt, musste am Mittwoch eingestehen, dass „Marokko Reformen einleiten muss.“ Brüssel befürchtet, dass nach dem Beschluss des Europaparlaments kein neues, längerfristiges Fischereiabkommen zustande kommen wird.
Die Regierung in Rabat, die die Westsahara als integralen Bestandteil des Reiches von König Mohamed VI. sieht und eine Volksabstimmung über die Zukunft der Westsahara unter UN-Aufsicht seit jahrzehnten verhindert, reagierte empört. Der Beschluss habe „schwere Folgen“, warnte das Aussenministerium und sprach von „einer Neubewertung der Partnerschaft insgesamt“. Als ersten Schritt sperrte Marokko mit sofortiger Wirkung seine gesamten Hoheitsgewässer für europäische Fischer.