Mindestens 16 Tote und 20 zum Teil schwer Verletzte – das ist die traurige Bilanz eines Anschlages auf eine der wichtigsten Touristenattraktionen in der marokkanischen Stadt Marrakesch. Unter den Todesopfern der heftigen Explosion, die am Donnerstag um 11 Uhr 50 -Ortszeit – die Fassade des bekannten Caféhauses Argana auf dem Platz Djemaa el-Fna schwer beschädigte, sind nach Angaben von Ärzten 11 Ausländer.
„Wir haben rund eine Stunde unter der Hypothese ermittelt, dass es ein Unfall gewesen sein könnte“, erklärte am nachmittag Regierungssprecher Khalid Naciri. „Aber erste Ergebnisse der Untersuchung haben bestätigt, dass es sich tatsächlich um einen kriminellen Akt gehandelt hat.“ Ob es ein Selbstmordanschlag war, konnte bis Redaktionsschluss nicht schlüssig geklärt werden. Augenzeugen wollen kurz vor der Explosion einen Mann gesehen habe, der in den Schankraum ging und einen Orangensaft bestellte. Der Marktplatz am Eingang der Altstadt von Marrakesch steht seit 2001 auf der Liste der Weltkulturerben und wird jährlichen von Zehntausenden von Touristen besucht. Djemaa el-Fna ist für seine Märchenerzähler, Feuerschlucker und Schlangenbeschwörer bekannt.
Es handelt sich um den ersten schweren Anschlag in Marokko, seit sich im Mai 2003 zwölf Selbstmordattentäter in der Wirtschaftsmetropole Casablanca in von Ausländern frequentierten Einrichtungen sowie einen jüdischen Zentrum in die Luft sprengten. Damals kamen 45 Menschen ums Leben unter ihnen die Attentäter, die aus radikal, islamistischen Kreisen stammten. 34 Menschen wurden für die Tat verurteilt. Die Richter brachten sie mit der Al-Qaida-nahen Marokkanischen Gruppe Islamischer Kämpfer in Verbindung. Die Organisation, die von ehemaligen Afghanistankämpfern gegründet wurde, steht auch im Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Pendlerzüge von Madrid 2004.
Die Bombe erschüttert ein Land, das seit dem 20. Februar immer wieder Mobilisierungen für einen demokratischen Wandel erlebt. Erst am Wochenende waren in ganz Marokko Zehntausende auf die Straße gegangen, um für mehr Freiheiten, soziale Gerechtigkeit und gegen die Korruption sowie die wirtschaftliche Allmacht von König Mohamed VI. zu demonstrieren. Ähnlich wie in anderen arabischen Ländern auch, gehen die Proteste von jungen Menschen aus, die sich über Facebook absprechen. Menschenrechtsorganisationen, linke sowie islamistische Gruppierungen haben sich der Bewegung angeschlossen.
Um den Protesten den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat Mohamed VI. eine Kommission eingesetzt, die bis Juni die Verfassung überarbeiten soll. Außerdem ordnete der Monarch eine Teilamnestie für politische Gefangene, die Erhöhung der Renten, Beamtengehälter und Mindestlöhne sowie die Aufnahme von 4.000 arbeitslosen Akademikern in den Staatsdienst an. Die Protestbewegung traut den vom Palast verordneten Reformen nicht: „Die Regierung ändert sich angesichts der Lage, das Volk nicht“, stand am Wochenende auf Transparenten zu lesen.