Der spanische Starrichter Baltasar Garzón macht einmal mehr von sich reden. Am späten Mittwoch Nachmittag wurde bekannt, dass er Ermittlungen gegen die ehemalige US-Administration von George W. Bush wegen Folter in Guantanamo aufgenommen hat. Er will „die materiellen Autoren, die Anstifter und die Ausübenden und ihre Komplizen“ ausmachen. Garzón hat damit die Klage von vier ehemaligen Häftlingen im US-Lager auf Kuba zugelassen. Die vier Männer – ein Spanier, ein Marokkaner, ein Palästinenser und ein Libyer – waren nach ihrer Freilassung aus dem Lager an Spanien ausgeliefert worden.
In dem Schriftsatz des obersten spanischen Strafgerichtes, der Audiencia Nacional, heißt es, dass „die von der von der US-Regierung freigegeben Dokumente“ bestätigen, „was zuvor vermutet wurde: Einen genehmigten, systematischen Plan der Folter und Misshandlungen an Personen, die ihrer Freiheit beraubt wurden und die ohne jedwede Anschuldigung und rechtliche Grundlage festgehalten wurden.“
Da Garzón von den fraglichen Dokumente nur aus der Presse Kenntnis bekommen hat, will er offiziell per Amtshilfe Kopien anfordern. Die US-Regierung wird dem freilich kaum statt geben. Den auch in bisherigen Fällen, wie dem des während des Irakkrieges durch US-Soldaten getöteten Kameramanns des spanischen Privatsenders Tele 5, verweigerte die USA jegliche Zusammenarbeit.
Beim Hauptkläger handelt es sich um den Spanier Abderrahman Ahmed. Der 39-Jährige Mann aus der zu Spanien gehörenden, nordafrikanischen Exklave Ceuta, wurde 2001 in Pakistan festgenommen und nach Guantanamo verbracht. 2004 wurde er an Spanien ausgeliefert. Dort wurde er wegen Mitgliedschaft in Al-Quaida nach Ermittlungen, die ebenfalls Richter Garzón führte, zu sechs Jahren Haft verurteilt.
In dem Schriftsatz von Garzón gegen die US-Administration werden keine Namen von mutmaßlichen Verantwortlichen für die Folterungen in Guantanamo genannt. Es ist nicht das erste Mal, dass der durch den Fall des ehemaligen chilenischen Diktators Augusto Pinochet international bekannt gewordene Garzón versucht, wegen Guantanamo zu ermitteln. Er hatte bereits vor einigen Wochen eine Untersuchung gegen sechs Mitglieder der Regierung von Präsident George W. Bush im Zusammenhang mit dem Lager auf Kuba eingeleitet und dann auf Druck der Justizbehörden und der Staatsanwaltschaft aufgeben müssen. Bushs Nachfolger Barack Obama und die spanischen Behörden hatten seinen Vorstoß kritisiert.
Die spanische Regierung hofft, dass die erneuten Ermittlungen die erst vor wenigen Wochen wieder normalisierten Beziehungen mit den USA nicht negativ beeinflussen werden. Bush hatte nach dem Rückzug der spanischen Truppen aus dem Irak, den sozialistischen Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero jahrelang mit Nichtbeachtung bestraft.