Die ruhige Nachtschicht an der spanisch-marokkanischen Grenze in Melilla war abrupt zu Ende. Sonntag früh um 4:25 stürmten rund 70 schwarzafrikanische Immigranten den größten Grenzposten zwischen Marokko und der nordafrikanischen Spanien-Exklave. Sie überrannte sowohl die marokkanischen Grenzsoldaten als auch ihre spanischen Kollegen von der Guardia Civil regelrecht. mehrere Grenzbeamte wurden dabei leicht verletzt. Rund 50 Immigranten gelangten nach Angaben der spanischen Behörden nach Melilla, bevor die Guardia Civil die Grenzabsperrung schließen konnte. Ein Sonderaufgebot aus Gemeinde- und Nationalpolizei sowie Guardia Civil machte gestern den ganzen Tag über Jagd auf die Flüchtlinge. Es seien so gut wie alle festgenommen worden, heißt es. Die meisten Flüchtlinge hätten sich unweit der Grenze unter Fahrzeugen und in Müllcontainern versteckt. Sie wurden auf eine Polizeiwache gebracht, wo versucht wurde sie zu identifizieren. Die meisten jedoch machten keine Angaben zu ihrer Person und ihren Herkunftsland. Daraufhin wurden sie in ein Auffanglager überstellt. Dort warten sie auf einen Abschiebebescheid. Der allerdings nur bei denen ausgeführt werden kann, deren Identität feststeht.
Es sind die ersten schweren Grenzzwischenfälle in Melilla seit Heilig Abend 2006. Damals versuchten mehrere Dutzend Flüchtlinge den sechs Meter hohen Grenzzaun zwischen Marokko und Melilla zu überwinden. Sie scheiterten. 40 Flüchtlinge wurden festgenommen.
Die Grenzanlage rund um die spanische Garnisonstadt Melilla war erst kurz zuvor verstärkt worden, nachdem im Sommer und Herbst 2005 128 Mal Flüchtlinge den einst nur drei Meter hohen Zaun gestürmt hatten. Mindestens 17 Immigranten kamen dabei ums Leben. Teils wurde auf sie scharf geschossen. Die Schüsse seien alle von marokkanischen Grenzsoldaten abgegeben worden, hieß es aus spanischen Quellen. Amnesty International verlangte immer wieder eine genaue Untersuchung ohne Erfolg. Mittlerweile ist die Grenzanlage überall sechs Meter hoch. Sie besteht aus einem Doppelzaun mit einer Fahrbahn für die Grenzschützer in der Mitte. Außerdem wurde als weitere Element ein Wirrwarr aus Stahlseilen aufgebaut, in dem sich Eindringlinge verfangen sollen.
Der Ansturm von Sonntag Nacht kam überraschend. Denn anders als 2005 halten sich mittlerweile keine großen Gruppen von Flüchtlingen mehr in den umliegenden Wäldern auf. Die dort errichteten Camps wurde von den Marokkanern auf Drängen Spaniens geräumt. Stattdessen verstecken sich die Flüchtlinge, die es bis an die Grenze zu Melilla schaffen, einzeln oder in kleinen Gruppen in den umliegenden Dörfern und Städten. Wie der Massenansturm organisiert wurde, ist bisher unklar.
Nicht nur Melilla wurden in den letzten Tagen wieder das Ziel von Flüchtlingen. Ebenfalls in der Nacht auf Sonntag gelangte ein mit 75 Menschen besetztes Boot an die südspanische Küste in der Provinz Granada. Unter den Flüchtlingen befanden sich fünf Minderjährige. In der vergangenen Woche erreichten außerdem 500 Schwarzafrikaner die Kanarischen Inseln im Atlantik. Die meisten von ihnen kamen in bis zu 17 Meter langen Fischerbooten mit Außenbordern aus Mauretanien, da die Küste des Senegals mittlerweile von europäischen und einheimischen Patrouillenschiffen systematisch überwacht wird. Die spanischen Behörden befürchten, dass dies nur der Anfang ist. Das gute Wetter dürfte das Geschäft der Flüchtlingsboote erleichtern. Außerdem begann vor wenigen Tagen die Fischfangsaison in Mauretanien. Damit herrscht reger Betrieb in Häfen und auf See. Die Flüchtlingsboote nutzen dies, um unerkannt abzulegen./Karte: Wikimedia