Museen und Ausstellungen werden meist dem gewidmet, was die menschliche Zivilisation erfolgreich zerstört hat. Dies gilt für ausgestorbene Kulturen, stillgelegte Industrien oder die spärliche Reste der vom Raubbau betroffenen Naturressourcen. Ab heute hat für drei Monate das Wasser sein Denkmal in Form der Weltausstellung im spanischen Zaragoza. Am Ufer des größten spanischen Flusses, dem Ebro, stellen 95 Teilnehmerländer ihre Vision von „Wasser und nachhaltiger Entwicklung“ vor. „Wasser für das Leben“, „Wasser ein einzigartiger Rohstoff“ und „Wasserlandschaften“ heißen die drei Hauptthemen der Ausstellung. In zahlreichen Foren sollen innovativen Ideen zur Wassernutzung vorgestellt werden. Gastgeber Spanien versteht es, sich gut ins Bild zu setzen. Nur mit der spanischen Realität hat die Expo 2008 nicht viel zu tun.
Denn Spanien verschwendet das kostbare Nass wie sonst niemand in Europa. 265 Liter pro Kopf und Tag verbrauchen die Spanier. Das ist doppelt soviel wie der Durchschnittsdeutsche. Wassersparen ist auf der iberischen Halbinsel ein Fremdwort.
Insgesamt gehen 80 Prozent des Wassers in die Landwirtschaft. Nur 14 Prozent in den menschlichen Konsum und 6 Prozent in die Industrie. Um den immensen Verbrauch zu befriedigen werden ganze Flussläufe regelrecht trockengelegt. Die spanische Philosophie lautet: „Wasser, das ins Meer läuft, ist verlorenes Wasser“. 1.200 Stauseen, sollen so viel wie möglich Wasser zurückzuhalten, um es der menschlichen Nutzung zuzuführen. Ein weit verzweigtes Netz aus Kanälen und Rohrleitungen verteilt das Wasser überall im Land. Paradoxerweise sind es oft die trockensten Gegenden, die am meisten Wasser verbrauchen. Denn hier wird Bewässerungslandwirtschaft betrieben.
Von der auf der Expo gepriesenen nachhaltiger Entwicklung hat dies alles nichts zu tun. Mancherorts wird so viel Grundwasser abgepumpt, dass ganze Landstriche verwüsten, oder wie im Falle von Almería das salzhaltige Meerwasser in die Grundwasserschichten eindringt. Zur legalen Infrastruktur kommen 500.000 Brunnen, die überall im Lande von den Bauern illegal geschlagen wurden. 45 Prozent der Grundwasserförderung erfolgt ohne Lizenz. Ernsthaft einschreiten wollen weder die Regionalregierungen noch Madrid. Denn wer den Bauern auf die Finger klopft, könnte Wählerstimmen verlieren.
Ein immer größerer Teil des menschlichen Bedarfs entsteht durch den Tourismus. Bettenburgen an der Küste verlangen nach immer mehr Wasser. Und ausgerechnet im trockenen Spanien ist mittlerweile Golf nach Fußball, Motorsport und Basketball die viert-beliebteste Sportart. 374 Golfplätze nennt Spanien sein eigen. Jeder von ihnen verbraucht so viel Wasser wie eine Kleinstadt.
Dabei ist es höchste Zeit für einen Wandel im Umgang mit dem Wasser. Laut dem Bericht der Europäischen Umweltschutzagentur (EEA) zum Klimawandel ist Spanien eines der europäischen Länder, dass am meisten unter der Erderwärmung leidet. Die großen Flüsse des Landes – wie der Ebro – haben in den letzten hundert Jahren bis zu 23 Prozent ihrer Wassermenge verloren. Im Süden Europas ging die Niederschlagsmenge im gleichen Zeitraum um 20 Prozent zurück. Der Bericht geht davon aus, dass die Entwicklung weiter geht. Ein Prozent weniger Niederschläge pro zehn Jahre sieht die EU-Agentur als realistisch an. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten damit so mancher spanischen Fluss bis zu 50 Prozent seiner Wassermenge verlieren. „Die Perioden extremer Trockenheit und des Wassermangels werde zum chronischen Problem auf der iberischen Halbinsel“, warnt Greenpeace. „Die Lösung angesichts des Wassermangels ist eine Politik der vernünftigen Verwaltung der Vorkommen und des Wassersparens“, fügt die die Umweltschutzorganisation hinzu. Eine Mahnung, die auch im Jahr der Wasser-Expo in Spanien leider ungehört verhallen wird.
Und auch was die Wasserlandschaften angeht, begeht Spanien einen Raubbau wie sonst niemand in Europa. Die Überschwemmungsflächen der Flüsse werden bebaut, obwohl sie als Gemeindeland eigentlich geschützt sind. Regnet es dann einmal richtig, holt sich das Wasser zurück, was ihm gehört und überschwemmt ganze Siedlungen. So auch dieser Tage in Zaragoza: Nach einem überraschend regnerischen Mai ist der Ebro über seine Ufer getreten. Die Eröffnungsfeier der Expo kann nicht wie geplant im neuen Amphitheater stattfinden. Denn dieses gleicht einem See.