© 2013 Reiner Wandler

Aus für Jebali

Tunesien rutscht immer tiefer in die Krise. Ministerpräsident Hamadi Jebali ist am Dienstag Abend zurückgetreten. Bereits 24 Stunden zuvor gabe er vor der Presse sein Scheitern bekannt: „Ich gebe unumwunden zu , dass der Plan, den ich vorgelegt habe, eine Regierung zu bilden, an der keine politische Parteien beteiligt sind, keine Mehrheit findet“, erklärte der islamistische Politiker. Schuld daran ist nicht zuletzt seine eigene Partei, die Ennahda.

Jebali, Generalsekretär der islamistischen Formation, die mit 89 der 217 Sitze, die stärkste Fraktion im tunesischen Parlament, der Verfassungsgebenden Versammlung, stellt, stolperte über den Parteichef Rachid Ghannouchi. Dieser und sein radikaler Flügel weigerten sich, eine Technokratenregierung zu akzeptieren. „Das entspricht nicht den aktuellen Bedürfnissen“, erklärte Ghannouchi. Eine Regierung ohne Parteipolitiker käme „einen Staatsstreich gleich“, fügte er hinzu.
Jebali hatte die Bildung einer Technokratenregierung vorgeschlagen, nachdem am 6. Februar der linke, säkulare Oppositionspolitiker Chokri Belaid ermordet wurde. Familie und Freunde des Toten beschuldigen Ennahda hinter dem Attentat zu stecken, oder zumindest nichts getan zu haben, es zu verhindern.
Ghannouchi hatte am Samstag zu einer Großdemonstration in der Hauptstadt Tunis gerufen, um „die Legitimität der Ennahda-Regierung zu verteidigen“. Gekommen waren 15.000 Anhänger. Unter ihnen viele radikale Salafisten. Was eine Machtdemonstration sein sollte, zeigt die derzeitige Schwäche des religiös-politischen Lagers. Denn zur Beerdigung Belaids waren 1,4 Millionen der 11 Millionen Tunesier auf die Straße gegangen.
Jebali hatte sich vor Bekanntgabe seines Rücktritts mit Staatspräsident Moncef Marzouki getroffen. Er werde nicht für eine erneute Kandidatur vor dem Parlament zur Verfügung stehen, hieß es aus Tunis. Tunesien befindet sich damit in einem Machtvakuum.

Die Opposition fordert eine Regierung der „Nationalen Einheit“. Ennhda wird wohl kaum einen neuen Regierungschef durchsetzen können. Denn der Streit um die Zusammensetzung der neuen Regierung stürzt auch die beiden kleinen, säkularen Koalitionspartner Ennahdas in die Krise. Der Kongress für die Republik (CPR) von Staatspräsident Marzouki verliert zusehends Abgeordnete. Die Hälfte der 29 gewählten Vertreter hatten bereits im vergangenen Jahr die Formation verlassen und eine neue Partei mit dem Namen Wafa gegründet. Jetzt folgten drei weitere Abgeordnete. Und selbst Generalsekretär Mohamed Abbau kündigte an, die CPR verlassen zu wollen. Auch bei der beim anderen Koalitionspartner, der sozialdemokratischen Ettakatol kommt es zu Parteiaustritten. Ihr Chef, der Parlamentspräsident Mustapha Ben Jafaar, unterstützte die Linie Ennahdas gegen eine Technokratenregierung .

Während das Innenministerium noch immer keinerlei Ermittlungsergebnisse im Mordfall Belaid vorgelegt hat, erhielten weitere Oppositionspolitiker Todesdrohungen. Der Kommunist Hamma Hammami, der zusammen mit Belaid das Linksbündnis Volksfront führte, veröffentlichte eine Liste mit 14 „Feinden Tunesien und der Religion“ die ihm anonym zugesandt wurde.

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