Es kommt Bewegung in das seit Monaten zerstrittene Lager der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter. Am Samstag präsentierte sich eine neue Bewegung mit dem Namen „Nationaler Aufruf für die Republik“ (Crida) in Manresa, einer katalanischen Kleinstadt unweit der Haftanstalt in der mehrere ehemalige katalanische Minister sowie Aktivisten in Untersuchungshaft sitzen. Hinter der Crida, die die die Unabhängigkeitsbewegung einen will, „ohne gegenseitige Vorwürfe“ und „ohne dass jemand auf sein Parteibuch oder seine Ideologie verzichten“ muss, steht kein Geringer als der im belgischen Exil lebende, ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont.
Es gehe darum, die vor exakt einem Jahr, am 27. Oktober 2017, vom katalanischen Parlament nach einem von Madrid untersagten Unabhängigkeitsreferendum ausgerufene Katalanische Republik Wirklichkeit werden zu lassen. Die Crida werde sich auflösen, „sobald dieses Ziel erreicht ist“, versprach Puigdemont per Videokonferenz vor den 6.000 Zuschauern im Sportpalast in Manresa.
Puigdemont kann seit nunmehr einem Jahr spanischen Boden nicht betreten. Würde er es tun, würde er wie die neun Inhaftierte im Laufe der nächsten Monate wegen „Rebellion“, „Aufstand“ und „Veruntreuung“ vor Gericht kommen. Darauf stehen bis zu 55 Jahre Haft. Dem Initiatorenkreis der Crida gehören ausserdem der aktuelle katalanische Ministerpräsident Quim Torra, ein Gutteil dessen Regierung, zahlreiche katalanische Angeordnete sowie der inhaftierte, ehemalige Vorsitzende der größten Unabhängigkeitsorganisation, der Katalanischen Nationalversammlung (ANC), Jordi Sánchez, an. Rund 10.000 zahlende Gründungsmitglieder zählt die Crida, die sich im Januar als Partei konstituieren will, bereits. Über 50.000 Menschen haben sich online in das Projekt eingeschrieben.
„Wir haben nicht aufgegeben und werden das auch in Zukunft nicht tun“, beteuerte Puigdemont in seiner Ansprache. Er redete von Kampagnen des zivilen Ungehorsam, ohne den Dialog mit Madrid auszuschließen. Und er machte er, worüber es dabei gehen müsse, um eine „Unabhängigkeitsreferendum in beiderseitigem Einvernehmen“. Der in Madrid regierende Sozialist Pedro Sánchez freilich will davon nicht wissen.
Das Ziel der Crida ist es „Personen und nicht Parteikürzel“ zusammenzufassen, hieß es am Samstag immer wieder. Aus den Reihen der Demokratischen Partei Kataloniens (PdeCAT), der auch Puigdemont immer noch angehört, folgt ein wichtiger Teil diesem Aufruf. Doch die anderen Unabhängigkeitsparteien, die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) um den inhaftierten ehemaligen Vizeregierungschef Oriol Junqueras und die kleine antikapitalistische CUP, wollen von Puigdemonts Crida nichts wissen. Die kommenden Monate werden zeigen, in wie fern es Puigdemont gelingt, Druck zumindest gegenüber der ERC aufzubauen. Die beiden großen, parteiunabhängigen Organisationen für die Loslösung von Spanien, die ANC und der Kulturverein Òmnium reden ebenfalls von Einheit, mit dem Ziel die Katalanische Republik Wirklichkeit werden zu lassen.