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Menschenrechtspreis der Stadt Weimar

Weimar schaut auf einen vergessenen Konflikt. Anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte ehrte die Goethe-Stadt am Dienstag die Menschenrechtsaktivistin Laila Fakhouri aus der Westsahara. Die 25 Jährige ist Sahraui und entschiedene Gegnerin der Besatzung ihre Heimat, einer ehemaligen spanischen Kolonie an der Westküste Afrikas gegenüber der Kanarischen Inseln, durch das nordafrikanische Königreich Marokko seit 1975. Ein Teil der sahrauischen Bevölkerung lebt nach wie vor in den besetzten Gebieten, ein anderer Teil als Flüchtlinge in den Lagern der Befreiungsbewegung Polisario in Südalgerien. Fakhouri, die für den Preis von Terres des Hommes vorgeschlagen wurde, muss sich die Auszeichnung mit der Frauenrechtlerin Ishan Fagiri aus dem Sudan teilen.

Aufgewachsen in der südmarokkanischen Garnisonsstadt Guelmin, erfuhr Fakhouri schon in frühester Kindheit, was es heisst Sahraui in Marokko zu sein. „Du bist ein Separatist, eine Verräterin, etwas Gefährliches, das gebrochen werden muss“, berichtet sie. In der Schule passte sich Fakhouri an, versteckte ihren Dialekt Hasani, so weit es ging. In der Oberstufe dann, nahm das Mädchen, das hauptsächlich bei ihrer Großmutter aufwuchs, erstmals an Schülerprotesten teil, ging nachts mit Freunden sprühen, sah bei ihrem Onkel heimlich das Fernsehen der Befreiungsbewegung Polisario und hörte deren Radio. Die sozialen Netzwerke halfen ihr Kontakt zu gleichgesinnten Jugendlichen in den besetzten Gebieten und später auch in den Flüchtlingslagern aufzunehmen. 2011 wurde die junge Frau erstmals von der Polizei zusammengeschlagen.

Mit 18 Jahren ging Fakhouri nach Agadir, wo sie ein Englisch-Studium aufnimmt. Sie schloss sich der dortigen Bewegung sahrauischer Studenten an. Die Repression gegen sie und ihre Familie reißt seither nicht mehr ab. So wurde ihre Mutter verhaftet und verhört, nachdem Fakhouri anläßlich einer Reise in die besetzten Gebiete auf Facebook ein Foto ihres Vorbildes, der Menschenrechtsaktivistin und diesjährigen Trägerin des Alternativen Nobelpreises Aminatu Haidar, veröffentlichte. 2014 flog Fakhouri nach Algerien und besuchte die sahrauischen Flüchtlingscamps im Süden des Landes, wo sie Kontakt zur Befreiungsbewegung Polisario aufnahm.

Das im Studium Gelernte setzt Fakhouri für die Sache ein. Sie dolmetscht für internationale Prozessbeobachter, so etwa bei einem Verfahren gegen ihren Onkel 2013 oder im Militärprozess 2016 gegen eine Gruppe aus dem Protestcamp Gdeim Izik, das 2010 ausserhalb der sahrauischen Hauptstadt El Aaiún errichtet worden war, um auf die Forderung nach Unabhängigkeit aufmerksam zu machen. Die Armee stürmte und zerstörte die traditionellen Zelte, die Jaimas. Die Gefangenen, die alle zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, berichteten vor Gericht über Folter und Misshandlung.

Als bekanntestes Gesicht einer jungen Generation von Sahrauis, die friedlich gegen die Besatzung protestiert, hält Fakhouri immer wieder Vorträge vor der UNO, reist durch Skandinavien, oder zu Veranstaltungen in der Schweiz. „Ich weiß, dass auch ich bald an der Reihe sein werde. Doch bis dahin werde ich dafür sorgen, dass meine Stimme von so vielen Menschen auf der Welt gehört wird, wie möglich“, schrieb Fakhouri nach dem Prozess gegen die Gruppe von Gdeim Izik. Der Preis aus Weimar hilft ihr sicher dabei.

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