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Boykott gegen Preisanstieg

Die marokkanischen Verbraucher haben die Macht der sozialen Netzwerke entdeckt. Seit dem 20. April wird über den Kurznachrichtendienst Twitter und über Facebook eine Boykottkampagne gegen drei wichtige Marken verbreitet. Sie sollen weniger als einen Monat vor dem Fastenmonat Ramadan begonnen haben, gezielt die Preise anzuheben. Das geschieht jedes Jahr. Denn nach dem allabendlichen Fastenbrechen konsumieren Muslime mehr als in normalen Monaten, ähnlich wie in der christlichen Welt rund um Weihnachten.

Das Motto des Boykotts: „Lass sie sauer werden.“ Denn die bekannteste der drei betroffenen Marken ist die Central Laitière. Ein Liter Milch der „Milchzentrale“ kostet umgerechnet 80 Eurocent, bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 230 Euro. Die marokkanische Danone-Tochter, die eine Monopolstellung auf dem Markt genießt, gehört zu fünf Prozent der Holding von König Mohamed VI.. Ausserdem werden die Tankstellenkette Afriquia und der Mineralwasserhersteller Sidi Ali (50 Cent für die 1,5-Liter-Flasche) boykottiert. Sidi Ali gehört der Präsidentin des marokkanischen Unternehmerverbandes Miriam Bensaleh-Chaqroun und Afriquia dem drittreichsten Mann Marokkos, dem engen Freund des Königs, Landwirtschaftsminister Aziz Akhannouch. Akhannouch ist Chef der Unabhängigen Nationalen Gruppierung (RNI), der wichtigsten Partei in der Regierungskoalition.

Der Boykott, der mittlerweile auch von bekannten Künstlern unterstützt wird, hat Erfolg. Bei einer landesweiten Umfrage des Institutes Averty, gaben 79,8 Prozent an, den Boykott zu unterstützen. Die Tageszeitung Akhbar Al Youm, die als einzige ausführlich berichtet, vermeldet, dass Afriquia 31 Prozent Einnahmerückgang und einen Aktienkursverlust von 5,97 Prozent zu verzeichnen hat. Ausserdem ist der Kurs der marokkanischen Danone-Aktien um 5,69 Prozent gesunken.

Immer mehr Politiker sehen sich genötigt, Erklärungen abzugeben. Allen voran Landwirtschaftsminister und Tankstellenbesitzer Akhannouch: Er warnt vor den Auswirkungen für die 470.000 beschäftigten und Zulieferer der Milchindustrie. Sein Parteifreund, Wirtschaftsminister Mohamed Boussaid beschuldigt die „vor Wut verrückten“ hinter dem Boykott zu stehen. Er meint damit die Jugend der islamistischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD), die ebenfalls in der Regierung sitzt. Der Parteinachwuchs ist weitaus radikaler als die Senioren und auf Kampagnen in den sozialen Netzwerken. Während aus den Reihen der sozialistischen Abgeordneten Unterstützung kommt, wirft ein leitender Danone-Angestellter den Boykotteuren „Landesverrat“ vor.

Die König Mohamed VI. gehörenden Supermarktkette Marjane hat mittlerweile Danone und Sidi Ali im Sonderangebot.

 

Was bisher geschah: