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Berberführer wird gesucht

 

Die marokkanische Staatsanwaltschaft hat Nasser Zafzafi zur Fahndung ausgeschrieben. Der 37-Jährige Anführer der seit mehr als sieben Monaten anhaltenden sozialen Proteste in der Berberregion Rif im Norden Marokkos wird nicht etwa wegen der Demonstrationen und Generalstreiks gesucht, zu denen er aufgerufen hat. Die Staatsanwalt wirft ihm vor, sich in der Moschee, der wichtigsten Stadt im Rif, in Al Hoceima, ungehörig aufgeführt zu haben. Sein Vergehen: Zafzafi erhob am Freitag in der Moschee Mohamed V. die Stimme und widersprach dem Imam lautstark, als dieser in seiner Predigt den Protestierenden vorwarf, Marokko spalten zu wollen. „Lügner“ rief Zafzafi und wollte wissen, wem die Moschee diene, „Gott oder den Mächtigen“. Zafzafi ist seither untergetaucht. Andere Aktivisten aus Al Hoceima hatten weniger Glück. 20 meist junge Menschen aus der Stadt wurden in den letzten Tagen festgenommen.

Die Proteste in der Rifmetropole Al Hoceima begannen vergangenen Oktober als der junge Straßenverkäufer Mouhcine Fikri sein Leben verlor. Die Polizei nahm ihm den Fisch ab, den er feil bot, und schmiss die Kisten in einen Mülllaster. Fikri kletterte hinterher, um die Ware zu retten. Bis heute ist nicht vollständig geklärt, wie der Mechanismus, der den Müll zusammenpresst, in Gang kam, oder wer in einschaltete. Nur eines steht fest: Fikri wurde zu Tode gequetscht.

Es kam zu Massenprotesten in ganz Marokko. Im Rif halten diese bis heute an. Immer wieder gehen im 60.000 Einwohner zählenden Al Hoceima Zehntausende auf die Straße. Sie verlange Arbeit und Investitionen für die seit Jahrzehnten vernachlässigte Gebirgsregion an der Mittelmeerküste. Die marokkanische Monarchie bestraft das Rif mit Nichtbeachtung seit sich die Region Ende der 1950er Jahre, kurz nach der marokkanischen Unabhängigkeit, gegen die Zentralregierung in Rabat erhob. Mohamed V. Und Hassan II., Großvater und Vater des derzeitigen Königs Mohamed VI. antworteten auf den Aufstand mit Militär und Napalmbomben.

Nasser Zafzafi war bis zu Beginn der Proteste wegen Fikris Tod ein völlig Unbekannter. Er gehörte zu den spontanen Redner auf den Kundgebungen. Seine offene Kritik am Königspalast und der Regionalverwaltung sowie sein natürliches Charisma machten aus dem Gelegenheitsarbeiter, der sein Studium abbrach, um seiner Familie zu helfen, über Nacht so etwas wie einen Nationalhelden der Rifberber.

Um ihn herum entstand die sogenannten „Volksbewegung in Al Hoceima und dem Rif“. Die Videos seiner Auftritte verbreiteten sich über die sozialen Netzwerke, während ihn die Presse bis vor wenigen Wochen völlig ignorierte. Die Medien begannen erst dann über Zafzafi zu berichten, als die Regierung in Rabat begann ihn als gefährlichen Separatisten zu bezeichnen. Und das obwohl Zafzafi nie von der Unabhängigkeit der Berberregion sprach. Allerdings beruft sich Zafzafi immer wieder auf Abdelkrim el Jatabi, den Helden der Rifregion schlechthin. Dieser führte in den 1920er Jahren den militärischen Aufstand gegen die spanische Kolonialverwaltung an und gründete die Rif-Republik. Bei der größten Demonstration, am 18. Mai, trugen viele Teilnehmer ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Wir sind alle Zafzafi!“. Das Motto des Protestmarsches lautete: „Ihr seit keine Regierung, ihr seit eine Mafia.“

Am 22. Mai vor einer Woche entsandte König Mohamed VI. eine Reihe von Ministern nach Al Hoceima. Diese versammelten sich mit Vertretern der Zivilgesellschaft und versprachen umgehende Verbesserungen der sozialen und wirtschaftlichen Lage. Zafzafi blieb der Versammlung fern. „Die Minister sind nicht gekommen, um die Probleme von Al Hoceima zu lösen, sie sind Teil des Problems“, ließ er ausrichten.

Was bisher geschah: