In Marokko stellt sich heute die einzige islamistische Regierung der Region zur Wiederwahl. Ministerpräsident Abedelillah Benkirane von der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) regiert seit 2011 das nordafrikanische Land in Koalition mit vier kleineren Parteien. Größter Herausforderer ist die Partei für Authentizität und Modernität (PAM) unter Ilyas al Omri. Die sich als liberal und säkular bezeichnende Kraft, wurde einst von Fouad Ali El Himma, einem engen Vertrauten des marokkanischen Monarchen Mohamed VI. und heutiger Schlüsselfigur im königlichen Kabinett, gegründet.
Umfragen gibt es seit August keine mehr. Das Innenministerium, das direkt vom Königshaus besetzt wird, hat sie verboten. Doch ein Blick auf den Wahlkampf genügt. Ministerpräsident Benkirane füllt ganze Fussballstadien, wo andere Schwierigkeiten bei größeren Säle haben. „Und das ohne die Teilnehmer zu bezahlen“, erklärt der 62-jährige Ingenieur immer wieder.
Benkirane gibt sich als „Garant der Stabilität“. Er verweist darauf, dass seine Regierung das Königreich durch die wirren Zeiten des arabischen Frühlings geführt habe, ohne das es zu nennenswerten Unruhen kam. „Wie viele Revolutionen hat es in diesen Jahren in Marokko gegeben? Wie viele Explosionen?“ fragt er gerne. Ausserdem verweist er auf die wirtschaftlichen und sozialen Erfolge. Hilfen für Witwen, Abfindungen beim Verlust des Arbeitsplatzes oder Stipendien für Studenten wurden erhöht. Gleichzeitig sank das Defizit von 7,4 Prozent auf 3,5 Prozent, die staatlichen Rücklagen nahmen zu.
All das bezweifeln seine Gegner nicht. Sie halten Benkirane seine religiös beeinflusste Politik vor. So wurde etwa bei einer Reform des Strafrechtes, das Verbot der Homosexualität und außerehelichen sexueller Beziehungen aufrecht erhalten. Zudem verstärkte die Regierung die Kontrolle der öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt. Sie müssen jetzt fünf Mal am Tag den Ruf zum Gebet senden. Religiöse und vermeintlich sexuelle Inhalte werden zensiert.
Benkiranes Gegner in Politik und Presse warnen vor einer zunehmenden „Islamisierung Marokkos“. Im Netz tauchen Videos auf, in denen Horrorszenarien religiöser Kontrolle ausgemalt werden. Ein sozialistischer Politiker warnt gar im Falle eines erneuten Sieges der PJD vor einer Entwicklung wie in Libyen und Syrien.
Benkirane oder Al Omri, wer die Wahlen gewinnt wird mit der Regierungsbildung beauftrag. So sieht es die 2011 Mitten im arabischen Frühling verabschiedeten Verfassungsreform vor. Zuvor konnte der König einen Premier seiner Wahl berufen. Während sich die PJD bei den urbanen Wählern große Beliebtheit erfreut und seit 2015 in den meisten Städten den Bürgermeister stellt, ist die PAM vor allem im ländlichen Raum stark. Dort hilft ihr die Nähe zum Königshaus, die ihr in den Städten eher schadet.
Unter den kleineren Parteien versucht sich vor allem die historische Unabhängigkeitspartei Istiqlal als Alternative zu den beiden Großen anzupreisen. Sie vertrete sowohl die modernen, weltlichen als auch die nationalen und religiösen Werte, verkündet ihr Vorsitzende, der ehemalige Gewerkschafter Hamid Chabat immer wieder. Um Wähler aus dem Lager der PJD anzuziehen, hat Chabat bekannte Salafisten auf die Listen genommen. Darunter einen vom König begnadigte, als Drahtzieher für ein blutiges Attentat in Casablanca verurteilten Prediger.