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Anschlag auf Museum in Tunis

bardo

Tunis: Polizei evakuiert das Nationalmuseum.

Mindestens drei mit Schnellfeuergewehren bewaffnete Männer griffen am Mittwoch um 12:30 Uhr eine Menschenmenge vor dem Nationalmuseum Bardo in der tunesischen Hauptstadt Tunis an, bevor sie in das Gebäude eindrangen. Nach Angaben des Innenministeriums kamen dabei 19 Menschen ums Leben. Bei 17 von ihnen soll es  sich um ausländische Touristen handeln. Unter ihnen seien Deutsche, Spanier, Italiener und Polen, erklärte der tunesische Regierungschef Habib Essid. Laut Gesundheitsministerium sollen mindestens 24 Menschen verletzt worden sein, unter ihnen 22 Urlauber aus Frankreich, Südafrika, Polen, Italien und Japan.

Mindestens der Täter nahmen im Museum Touristen als Geisel. Die Polizei stürmte das Bardo gegen 15:30 Uhr. Dabei seien zwei Geiselnehmer und ein Polizeibeamter ums Leben gekommen, erklärte der Regierungschef. Nach einem  dritten Angreifer und zwei weitere Komplizen werde noch gefahndet. Das staatliche, tunesische Fernsehen zeigte Live-Bilder von bewaffnet Sicherheitskräften, die Besuchern zur Flucht aus dem Museum verhalfen.

Das Nationalmuseum Bardo beheimatet eine der wichtigsten archäologischen Sammlungen Nordafrikas und die größte Sammlung römischer Mosaike ausserhalb Italiens. Es liegt direkt neben dem tunesischen Parlamentsgebäude. Bis zu Redaktionsschluss war die Lage völlig unübersichtlich. Augenzeugen berichten, von drei Männern in Tarnanzügen und mit Rucksäcken. Sie seien „mit Kalashnikovs bewaffnet“, erklärte ein Sprecher aus dem Innenministerium. Augenzeugen berichten zudem, dass sie keinen Bart getragen hätten.

Unklar blieb zunächst, ob sie direkt das Museum im Visier hatten, wie einige Augenzeugen gegenüber lokalen Radiosendern berichteten, oder ob es zuvor zu einer ersten Schießerei auf dem Platz vor Museum und Parlament gekommen war, als die Angreifer versuchten das Parlament zu stürmen.

„Ein riesiges Unglück hat Tunesien heimgesucht“, erklärte Staatspräsident Béji Caïd Essebsi. „Wir müssen mit einer Generalmobilmachung beginnen und die Terroristen endgültig ausschalten“, fügte er bei einem Besuch von Verletzten im Krankenhaus hinzu.

Der Anschlag wird schwere Folgen für Tunesien haben. Das Land lebt unter anderem vom Tourismus. Bisher galt Tunesien, in dem Ende 2010 der arabische Frühling begann und zum Sturz des langjährigen Diktators Zine el-Abidine Ben Ali am 14. Januar 2011 führte, als weitgehend ruhig. Tunesien hatte Ende 2014 auf Grundlage der neuen Verfassung Parlament, Regierung und Staatspräsident gewählt. Der Übergang zur Demokratie galt als exemplarisch für die arabische Welt. Der Anschlag dürfte jetzt zu einer Stornierungswelle führen und das nur wenige Tage bevor das Geschäft mit den Osterurlaubern beginnt. Der Verband britischer Reiseveranstalter Abta sprach nur kurz nach dem Überfall von reihenweisen Absagen von Tunesientouren. Nächste Woche versammeln sich ausserdem Tausende von Aktivisten aus aller Welt zum Weltsozialforum in Tunis.

Trotz der vermeintlichen Ruhe brodelt es schon länger in Tunesien. Radikale Islamisten der Gruppe Ansar al-Scharia griffen während einer Demonstration im September 2012 die US-Botschaft in Tunis an. 2013 wurden zwei Oppositionspolitiker ermordet. Die Anschläge wurden bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Vermutlich waren daran ebenfalls radikale Islamisten beteiligt. Ausserdem sind seit mehr als zwei Jahren bewaffnete Gruppen im Landesinneren, unweit der algerischen Grenze aktiv. Rund 60 Gendarmen und Soldaten verloren bei Schusswechseln und durch Landminen ihr Leben.

Tunesien ist eines der Länder aus denen die meisten jungen Menschen Richtung Syrien, Libyen und den Irak ausreisten, um sich dort radikalen Milizen, wie die des Islamischen Staates – Daech – anzuschließen. Presse und Behörden sprechen von 2500 bis 3000 tunesischen Kämpfern. Einige von ihnen sollen nach intensiver Ausbildung und Kampfeinsätzen in ihre Heimat zurückgekehrt sein.

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