© 2014 Reiner Wandler

Vom schwierigen Umgang mit Israel

Die Videokünstlerin Keren Cytter gerät in Marokko in die Schlagzeilen. Doch nicht etwa wegen ihrer Werke, die sie zusammen mit weiteren 42 Künstlern aus aller Welt auf der 5. Biennale von Marrakesch vorstellen wird, sondern wegen ihrer Herkunft. Die 37-Jährige ist Israelin. Sie wurde in Tel Aviv geboren und ist dort aufgewachsen, bevor sie nach Europa übersiedelte.

Für Marokkos Islamisten und Panarabisten ist Cytters Teilnahme an der Biennale eine Provokation. „Sie stammt aus dem israelisch, zionistischen Besatzungsgebilde. Sie einzuladen macht aus dem Verbrechen der Besatzung etwas normales“, erklärt Aziz Henawi, Generalsekretär des marokkanischen Observatoriums gegen die Normalisierung gegenüber der in London erscheinenden panarabischen Zeitung Al Qods (Jerusalem). So wird ausgerechnet eine Kunstveranstaltung, die vom 26. Februar bis zum 31. März „Brücken zwischen den Kulturen“ schlagen will, zum Politikum. Die Bewegung gegen die Normalisierung kündigt Proteste an und fordert die marokkanischen Künstler, die in Marrakesch geladen sind, auf, sich ebenfalls gegen die Teilnahme von Cytter auszusprechen.

Henawi und sein Observatorium greift auch den Ehrenvorsitzenden der Biennale, André Azoulay an. Der wirtschaftliche Berater von Marokkos König Mohamed VI. und zuvor von dessen Vater Hassan II. stecke hinter der Absicht, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren. Azoulay ist den Islamisten und arabische Nationalisten seit langem ein Dorn im Auge. Denn er stammt aus einer jüdischen Familie im marokkanischen Badeort Essaouira.

Das Observatorium rechnet fleissig, wenn es um Israel geht. 2013 sei der Handel zwischen Marokko und dem „zionistischen Gebilde“ um 130 Prozent gestiegen. Marokko ist damit die Nummer 7 in Afrika und nach Ägypten und Jordanien die Nummer 3 in der arabischen Welt in Sachen Aussenhandel mit Israel. Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die königliche Armee drei Drohnen in Tel Aviv geordert hat, um sie bei der Überwachung der Grenzen – und damit des Migrationsflusses – einzusetzen.

Es geht um weit mehr, als um eine kleine, radikale Organisation. Denn die Bewegung gegen die Normalisierung hat längst Marokkos Parlament erreicht und sorgt dort für ein ungewöhnliches Bündnis. Die regierenden Islamisten der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) hat zusammen mit der historischen Unabhängigkeitspartei Istiqlal sowie der sozialdemokratischen USFP und der postkommunistischen PPS ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der all diejenigen bestrafen soll, die die Normalisierung mit Israel begünstigen. Darauf sollen zwei bis fünf Jahre Haft sowie Geldstrafen bis zu umgerechnet 10.000 Euro stehen. Ausserdem sollen die Schuldigen die staatliche Rente sowie einen Teil der Bürgerechte aberkannt werden. Handelt es sich um eine Organisation oder um ein Unternehmen, soll deren Guthaben beschlagnahmt werden. Wirtschaftliche Beziehungen sollen ebenso unter Strafe gestellt werden, wie sportlicher und kultureller Austausch oder eben die Einladung von Israelis zu Treffen wie der Biennale.

Noch ist all dies nur ein Gesetzesentwurf. Doch sollte dieser durchs Parlament gehen – an einer breiten Mehrheit fehlt es dort nicht – stellt sich die Frage, was mit Menschen wie dem königlichen Berater Azoulay geschieht. Wie er gehören 5.000 Marokkaner dem jüdischen Glauben an. Im verhassten Israel selbst leben – so die Schätzungen – weitere 900.000 marokkanische-stämmige Juden. Es sind die Menschen, die meist nach der Unabhängigkeit Marokkos ausgewandert sind, sowie deren Nachkommen. Viele von ihnen haben bis heute die doppelte Staatsbürgerschaft und besuchen die alte Heimat immer wieder.

 

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