Sie wollten mit ihrem Oben-Ohne-Protest vor den Gerichtspalast in Tunis ihre Solidarität mit der inhaftierten tunesischen Femen Amina Sboui „Tyler“ zum Ausdruck bringen. Jetzt müssen die beiden Französinnen Pauline Hillier und Marguerite Stern sowie die Deutsche Josephine Markmann selbst für vier Monate und einen Tag hinter Gitter. Die drei jungen Frauen wurden des „unsittlichen Verhaltens“ für schuldig befunden. Nackte Brüste als Protestform und die Gewohnheiten in einem muslimischen Land gehen nicht zusammen, befand der Richter am Mittwoch Abend in Tunis. Während des Prozesses demonstrierten Femen-Anhängerinnen in mehreren europäischen Hauptstädten vor den tunesischen Botschaften sowie vor dem Europaparlament in Brüssel.
„Ich bin am 28. Mai eingereist, um meine politische Unterstützung für Amina zum Ausdruck zu bringen. Wir haben uns im Internet verabredet“, erklärt Markmann vor dem Richter. Einen Tag später protestierten sie vor dem Gerichtspalast in der Hauptstadt und wurden verhaftet. Die Deutsche war dabei, wie ihre beiden Mitangeklagten auch, von Kopf bis Fuß mit einem weißen Schleier verhüllt. Das tunesische Recht schreibt diese Kleidung für Frauen vor Gericht vor. „Unsere Brüste zu entblößen, soll nicht sexuelle Erregung auslösen, sondern es ist eine Form des politischen Aktivismus“, versuchte Stern den Richter davon zu überzeugen, dass die Aktion unter das Recht auf freie Meinungsäusserung fallen müsse.
Doch dieser schenkte den Anwälten von einem Dutzend islamischer Frauenorganisationen mehr Gehör. Diese wollten als Nebenkläger auftreten. Auch wenn das Gericht dem nicht stattgab, durften sie dennoch ihre Argumente vortragen. „Eine freie Frau hungert eher, als dass sie dank ihrer Brüste isst“, zitierte einer der Anwälte ein arabisches Sprichwort. „Der Islam ehrt die Frau und gibt ihr die Freiheit und zwingt sie nicht sich zu entkleiden“, fügte einer seiner Kollegen hinzu. Die Aktion der drei sei ein „Angriff auf die Identität Tunesiens“.
Das Geburtsland des arabischen Frühling wird seit den ersten freien Wahlen von Islamisten regiert, die immer wieder versuchen die Rechte der Frauen einzuschränken. Die Auseinandersetzung um Femen ist längst zu einer Art Kampf der Kulturen geworden. Alles begann, als Amina Tyler im März Topless-Fotos ins Netz stellte. “Mein Körper gehört mir, er ist niemandes Ehre” und “Fuck your morals” hatte sie auf ihre Brüste geschrieben.
Mitte Mai wurde die erste arabische Femen dann im zentraltunesischen Kairouan verhaftet, als sie in der Nähe eines Friedhofes das Wort „Femen“ auf eine Mauer schrieb. Sie hatte sich ausgerechnet den Tag ausgesucht, an dem radikale Salafisten ein verbotenes Jahrestreffen n der Stadt abhalten wollten. Bei ihrer Verhaftung führte Amina eine Dose Tränengas zu Selbstverteidigung mit sich. Dafür drohen ihr jetzt bis zu sechs Monate Haft und für die Parole auf der Mauer bis zu zwei Jahre, falls der Richter dies als „Verletzung eines heiligen Ortes“ wertet.
Mit einer milden Haltung des Gerichts darf die junge Tunesierin wohl kaum rechnen. „Unsere Gesellschaft ist muslimisch, und wir akzeptieren dieses Aussenseiterverhalten nicht”, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums nach ihrer Verhaftung.
„Die Strafe ist extrem hart ausgefallen“, beschwerten sich die aus Frankreich angereisten Anwälte der drei Femen. Es stelle „einen schweren Verstoss gegen die Meinungsfreiheit“ dar. Die ukrainische Zentrale von Femen kündigte weitere Aktionen an und „beglückwünscht“ in einem Kommuniqué die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Holland für ihren „großen diplomatischen Erfolg“. Beide hatten ein faires Verfahren angemahnt. „Treffen Sie sich weiter mit Diktatoren, schütteln sie deren Hände. Küssen sie ihre Münder und geben Sie ihnen Geld!“ heißt es in der Erklärung.