Portugals Regierungschef Pedro Passos Coelho setzt weiter die Schere an. In einer Fernsehansprache am Freitagabend verkündete er sein neues Programm, mit dem bis Ende 2015 die Staatsausgaben um weitere 4,8 Milliarden Euro eingespart werden sollen. Die Renten werden künftig versteuert, das Rentenalter wird von 65 auf 66 Jahre angehoben, der Krankenkassenbeitrag knapp verdoppelt, 30.000 der 500.000 Angestellten und Beamten im Öffentlichen Dienst werden entlassen, der Rest muss fortan 40 Stunden statt bisher 35 Stunden die Woche arbeiten. Außerdem werden die Ausgaben aller Ministerien um mindestens zehn Prozent gekürzt.
„Es geht nicht darum, einen Sparkurs oder keinen Sparkursen zu fahren. Die Ziele zu verfehlen würde zu einem Austritt aus dem Euro führen und hätte katastrophale Folgen für alle“, bat Premier Passos Coelho in seiner Ansprache um Verständnis für die erneuten Einschnitte, die zu den bisherigen Sparpaketen von insgesamt 13 Milliarden Euro kommen. Portugal, das Ende 2012 eine Staatsverschuldung von 120 Prozent des BIPs und ein Defizit von 6,6 Prozent vermeldete ist seit zwei Jahren unter dem EU-Rettungsschirm. Das Land erhält insgesamt 78 Milliarden Euro und muss im Gegenzug die strickten Auflagen der Troika aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommision und Internationalem Währungsfond erfüllen. Bis 2015 soll das Defizit auf unter drei Prozent gesenkt werden.
Der neue Maßnahmenkatalog war notwenig geworden, nachdem das portugiesische Verfassungsgericht Anfang April vier Maßnahmen für ungültig erklärte. Passos Coelho konnte weder das 14. Monatsgehalt für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst streichen, noch den Rentnern einen Teil ihrer Einkünfte nehmen, oder Arbeitslosengeld und Pflegezuschüsse besteuern. Dies stelle eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmer im öffentlichen und privaten Bereich dar. Sie würden ungleich für die Krise haftbar gemacht, begründet das Verfassungsgericht den Entscheid.
Die Kritik an den neuen Sparmaßnahmen ließen nicht auf sich warten. „Die gleichen Rezepte für immer die gleichen Betroffenen“, beschwert sich der Generalsekretär größte Oppositionskraft, der Sozialistischen Partei (PS), Antonio José Seguro, und verlangt ebenso wie kleinere linken Parteien und die Gewerkschaften den Rücktritt der Regierung Passos Coelho. Sie alle fordern eine Politik, die die Wirtschaft erneut ankurbelt. Die Sparpolitik treibe Portugal weiter in die Rezession. Im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaft um 3,2 Prozent. 2013 sollen es weitere 2,3 Prozent sein. Seit Beginn der Krise hat sich die Arbeitslosigkeit auf knapp 17 Prozent verdreifacht. Bis Ende 2014 sollen es 18,5 Prozent sein.
Am Wochenende meldete sich gar Amnesty International (AI) zu Wort. Die Sparpolitik gefährde mehr und mehr die Grundrechte der portugiesischen Bürger, im besonderen der sozial schwachen Gruppen, „wie die älteren Menschen, Kinder, Arbeitslose und Minderheiten“, erklärte AI-Sprecherin Teresa Pina. Für viele Portugiesen ist der Arztbesuch längst zu einem unerschwinglichen Luxus geworden. Ein Besuch in der Notaufnahme kostet 20 Euro. AI fordert Brüssel zum Umdenken auf./Foto: Wikimedia