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Komitee für Pressereform schmeisst hin

Tunesiens Reformer schmeißen hin. Die Nationale Instanz für die Reform des Informationswesen und der Kommunikation (INRIC) stellte am Mittwoch unter Protesten ihre Arbeit ein. Der Grund: Die islamistische Regierung unter Premier Hamadi Jebali greife zusehends „zu Mitteln der Zensur und Desinformation“, so der Chef des unabhängigen Komitees Kamel Labidi.

„Seit die Regierung im Amt ist, haben wir feststellen müssen, dass sie keine konkreten Maßnahmen zur Reform der Branche ergreift“, schimpfte der einst unter dem im Januar 2011 gestürzten Präsidenten Ben Ali im Exil lebende Labidi. Der Journalist war vor seinem Exil Korrespondent der französischen Tageszeitung „La Croix“ und Vorsitzender von Amnesty International in Tunesien.

Nur einen Monat nach dem Sturz des alten Regimes wurde Labadi von der damaligen Übergangsregierung mit der Aufgabe, die Presse und die Gesetzgebung für ein demokratisches Tunesien umzubauen, beauftragt worden.
Bereits ein Tag vor dem Rücktritt Labidis beschuldigte die internationalen Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG) die Regierung Tunesiens, die mehrheitlich von Ministern aus den Reihen der islamistischen Ennahda besetzt ist, ebenfalls, die Pressefreiheit zusehends einzuschränken. Unter anderem beklagt RoG, dass die Regierung Jebali neun Radiodirektoren sowie den Chef des staatlichen Fernsehens eigenmächtig ausgewechselt habe.
Labidi reagiert mit seiner Entscheidung auf mehrere Skandale in den letzten Monaten. Der größte Verstoß gegen die Meinungsfreiheit war zweifelsohne der Prozess gegen den Chef des Privatfernsehens Nessma TV, Kabil Naroui wegen der Ausstrahlung des französisch Zeichentrickfilmes Persepolis von der iranischen Regisseurin Marjane Satrapi. Der Streifen kritisiert aus der Sicht eines kleinen Mädchens die Verhältnisse unter dem islamistischen Regime in Teheran. Offizieller Anlass den Chef von Nessma vor Gericht zu zerren und ihn zusammen mit mehreren seiner Angestellten zu jeweils 1.200 Euro Geldstrafe zu verurteilen, war eine Szene in der Gott zur kleinen Persepolis spricht. Dies sei „Gotteslästerung, denn es verstoße gegen das islamische Verbot, Gott bildlich darzustellen, lautete die Begründung der Richter. Den Prozess hatten Rechtsanwälte aus dem Umfeld von Ennahda angestrebt. Die Regierung unterstützte sie dabei. Das Urteil wurde ausgerechnet am Internationalen Tag der Pressefreiheit verkündet.

Was bisher geschah: