„Nein zur Ausbeutung, nein zur Ungleichheit, nein zur Verarmung!“ lautete das Motto der Großdemonstration, zu der Portugals Gewerkschaften am Samstag in Lissabon gerufen hatten. 300.000 Menschen füllten den Praça do Comercio in der Innenstadt. Es war die größten Protestversammlung in 30 Jahren. „Sparen macht nicht reich“, rief der Generalsekretär der CGTP, der stärkten Gewerkschaft des Landes, Arménio Carlos, zu. „Vielmehr müsste dem Land der Hals aus der Schlinge gezogen werden, damit es atmen, leben und arbeiten kann“, fügte er hinzu. In dieser Woche wird die Troika aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) der konservativen Regierung Portugals unter Pedro Passos Coelho den dritten Quartalsbesuch abstatten, seit das arme, südwesteuropäische Land im Mai vergangenen Jahres ein Hilfspaket von 78 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm erhielt.
Die damit verbundenen Sparmaßnahmen und Umstrukturierungen drohen Portugal zu ersticken. Bereits in den letzten Monaten geriet die Wirtschaft in die Rezession. Für 2012 wird ein Rückgang des BIPs zwischen 3 und 5 Prozent vorhergesagt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei rund 14 Prozent, der Konsum ist auf einem historischen Tief angekommen.
Die Angst vor einer Ansteckung durch die Krise in Griechenland hat die Regierung Passos Coelho weit über das durch die Troika gesteckte Ziel hinausschießen lassen. Das Defizit sollte bis Ende 2012 von 9,8 Prozent auf 4,5 Prozent gedrückt werden. Bereits zum Jahresende 2011 war es ersten Erhebungen nach soweit.
Die Sparmaßnahmen sind tiefgreifend. Staatliche Unternehmen, wie Energieversorger, Stromnetzbetreiber, sowie Transport- und Bankwesen werden privatisiert. Im gesamten Öffentlichen Dienst wurde gekürzt. Arzt- und Krankenhausbesuche sind zuzahlungspflichtig. Arbeitslosengeld und Renten wurden gesenkt, die Mehrwertsteuer auf 23 Prozent angehoben. Wer mehr als 1000 Euro im Monat verdient, muss auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten. Der gesetzliche Mindestlohn in Portugal liegt bei 485 Euro. „Das sind Netto 432 Euro, während die Armutsgrenze bei 434 Euro liegt“, beschwert sich CGTP-Chef Alves Carlos. 400.000 Arbeiter müssen seinen Angaben nach im 11-Millionen-Land Portugal damit auskommen.
Bis 2013 soll sich, so der bisherige Plan, Portugal wieder an den Finanzmärkten mit Geld versorgen können. Studien von Großbanken, allen voran Goldmann Sachs, halten dies für unwahrscheinlich. Die Ratingagenturen tun alles, damit diese Prophezeiung eintritt. Drei von ihnen haben das Land mittlerweile auf Müllniveau, BB mit fallender Tendenz, herabgestuft.
Spekulationen über ein zusätzliches Hilfspaket und einen Schuldenschnitt, wie im Falle Griechenland, werden lauter. Eine zufällig mitgeschnittenes Gespräch des deutschen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble mit seinem portugiesischen Kollegen Vitor Gaspar bekräftigt diese Vermutungen. „Wenn wir das Programm verändern müssen, sind wir bereit“, ist Schäuble zu hören. „Das würde uns sehr freuen“, bekommt er zur Antwort. In den nächsten Tagen will Portugal Anleihen in Höhe von 1,5 bis 2 Milliarden Euro aufnehmen. Dies gilt als Probe für die Reaktion der Märkte.