© 2012 Reiner Wandler

Überraschender Freispruch

Viele Spanier trauten ihren Ohren nicht, als sie am Mittwoch Abend die Nachrichten hörten. Ein Geschworenengericht hatte den ehemaligen Landesvater der autonomen Region Valencia und Politiker der konservativen Partido Popular (PP), Francisco Camps der Bestechung für unschuldig befunden. Camps wurde angeklagt, massgeschneiderte Anzüge für 30.000 Euro als Geschenk erhalten. Im Gegenzug habe seine Verwaltung mit einem Geflecht aus korrupten Unternehmen zusammengearbeitet. Fünf der neun Geschworenen sahen dies trotz umfangreicher, stichhaltiger Ermittlungen als nicht erwiesen an. „Danke, mein Gott“, rief der wohl selbst überraschte Camps, während draußen vor dem Gerichtsgebäude in Valencia Hunderte von Menschen ihrem Unmut Luft machten.

Neben Camps wurde auch der ehemalige regionale PP-Generalsekretär Ricardo Costas freigesprochen. Zwei weitere Angeklagte, der Vizepräsident und der Tourismusminister der Camps-Regierung, hatten bereits vor der Hauptverhandlung eingestanden, tatsächlich Anzüge angenommen zu haben. Die Geschworenen berücksichtigten dies ebenso wenig, wie die erdrückende Beweislast.

Abgehörte Telefongespräche bestätigten die Gefälligkeitsdienste ebenso, wie die Aussagen von Angestellten der betreffenden Schneidereien. Regierungschef Camps „hatte keinerlei Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen“, heißt es in der Begründung der fünf Geschworenen dennoch. Die Beziehungen zu Correa und dessen Vertrauten sei „rein geschäftlich“ gewesen. Und das obwohl diese Camps am Telefon als „Herzensfreund“ bezeichneten.

Es war der erste Prozess im wohl größten Korruptionsskandal in Geschichte der spanischen Nach-Franco-Demokratie. Eine Geflecht aus Unternehmen unter der Führung von Francisco Correa, dessen Nachname übersetzt ins Deutsche den Ermittlungen den Namen „Gürtel“ gab, soll jahrelang illegal die Partido Popular (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy finanziert haben. Der Trick war einfach. Correa organisierte in PP-regierte Gemeinden und Regionen Veranstaltungen, kassierte zu hohe Tarife und gab einen Teil davon an Partei und Parteigrößen weiter, den Rest war für ihn und seine Komplizen Während des spanischen Baubooms vermittelte Correa Kontakte von Bauherren zur Verwaltung. Correa, seine Komplizen und die Politiker in seinem Umfeld wirtschafteten Millionenbeträge in die eigenen Taschen. Betroffen sind vor allem Valencia, Madrid und Galicien.

Die PP und Camps haben in Valencia einen Scherbenhaufen hinterlassen. Die Region Valencia ist bankrott. Die Regierung Camps stürzte sich in ein Großprojekt nach dem anderen. Ein internationaler Flughafen in Castelló wurde eingeweiht, aber hat nie ein Flugzeug gesehen, die Formel 1 wurde mit öffentlichen Geldern nach Valencia gelockt, eine ganze Museums- und Wissenschaftsstadt wurde aus dem Boden gestampft. Rund herum wurden jeweils Ländereien zu Baugrund umgewidmet und riesige neue Stadtteile errichtet. Während die Bauindustrie im vergangenen Jahrzehnt in Valencia Gewinne einfuhr, wie sonst nirgends in Spanien, hat die Landesregierung kein Geld, um die Heizungen für Schulen und öffentliche Gebäude zu bezahlen. Forschungsinstitute werden geschlossen, öffentliche Dienste eingestellt, Angestellte und Beamte entlassen.

Seit dem Urteil gilt Camps den Konservativen wieder als großer Politiker. Die PP-Führung in Madrid feiert das Urteil und verlangt die „Wiederherstellung der Ehre“ der beiden Freigesprochenen eine „Entschuldigung“ seitens der Anklage. „Es ist bewiesen, dass die Valencianer einen Regierungschef hatten, wie es Gott gefällt“, erklärte Camps in einem ersten Interview.

„Die Beweise sind mehr als ausreichend, um Camps vor einem professionellen Gericht zu verurteilen“, fordert der Sprecher des valencianischen, fortschrittlichen Parteibündnisses Compromis ein Berufungsverfahren. Dies würde dann vor Spaniens Oberstem Gericht, dem Tribunal Supremo, stattfinden. Dort beschäftigen sich die Richter bereits mit dem Fall „Gürtel“. Doch nicht etwa mit den der Korruption und der Bestechung beschuldigten Unternehmern und Politikern, sondern mit Baltasar Garzón, dem Richter, der einst die Ermittlungen einleitete. Dieser soll die Anwälte, die teilweise selbst der Geldwäsche beschuldigt werden, illegal abgehört haben. Ihm drohen wegen Rechtsbeugung 17 Jahre Berufsverbot. Kläger sind Francisco Correa und zwei seiner engsten Vertrauten.

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Meine Meinung


Ein fauler Geruch

Die empörten Demonstranten vor dem Gerichtssaal in Valencia reagierten auf den überraschenden Freispruch des ehemaligen konservativen Landesvaters der Region Valencia, Francisco Camps, mit Shakespeare: „Es ist was faul in diesem Gericht“ wandelten sie den bekannten Satz aus Hamlet ab, und brachten gleichzeitig ihrer Solidarität mit Starermittler Baltasar Garzón Ausdruck. Während Camps dank eines Geschworenenspruchs trotz erdrückender Beweislast den Gerichtssaal als freier Mann verlässt, drohen Garzón 17 Jahre Berufsverbot, wegen seiner Ermittlungen im Falle „Gürtel“, zu dem auch das Verfahren Camps gehört. Es ist was faul, nicht nur am Gericht in Valencia, sondern im ganzen System.

Das Jahrzehnt der Bauspekulation hat ein Land hinterlassen, das durch und durch korrupt ist. Nicht nur der Fall „Gürtel“ – das Geflecht aus Unternehmen, das Kontakte zur Partido Popular von Ministerpräsident Mariano Rajoy nutzte, um Partei, Politiker und Unternehmer zu finanzieren, in dem öffentliche Kassen und öffentliches Eigentum regelrecht geplündert wurde – zeugt davon. Gegen hunderte von Kommunalpolitiker wird wegen Korruption ermittelt. Die Spekulationsblase war so groß, dass sie für alle etwas abwarf. Öffentliche Grundstücke wurden umgewidmet, die Gewinne flossen nicht immer in die Gemeindekassen. Eine ganze Gesellschaft wurde korrumpiert.

Hinzu kommt die Spaltung Spaniens in zwei Lager – die seit dem Bürgerkrieg in den 1930er Jahren nicht überwunden wurde. Zu gerne schüren sie die Politiker, um ihr jeweiliges Lager treu bei der Stange zu halten. Alle reden von Korruption, aber nur von der der anderen. Viele der Verdächtigen kandidierten bei verschiedenen Wahlen im vergangenen Jahr erneut und wurden wieder gewählt. So auch Camps in Valencia.

„Die Zusammensetzung der Geschworenen, die im Losverfahren ausgewählt wurden, ist ein Abbild der Gesellschaft Valencias, wo die PP 16 Jahre lang mit absoluter Mehrheit die Wahlen gewonnen hat“, erklärt Spaniens größte Tageszeitung El País, die einst den Korruptionsfall aufdeckte, treffend, was bei Gericht in Valencia passiert ist. Es ist etwas oberfaul im Staate Spanien!

Was bisher geschah: