© 2011 Reiner Wandler

Die Angst des Trainers vor dem Clásico

Der alles entscheidende Augenblick ist gekommen. El Clásico – oder besser Los Clásicos – stehen auf dem spanischen Spielplan. Am Samstag treffen die Erzrivalen Real Madrid und FC Barcelona in der Liga aufeinander, am kommenden Mittwoch dann im Endspiel um den spanischen Pokal und zum krönenden Abschluss zweimal im Halbfinale der Champions League. Es ist die Stunde der Wahrheit und vor allem die Stunde des Bangens und des Hoffens. Denn nicht nur in Barcelona, auch in Madrid sind viele von der Überlegenheit der Blau-Roten unter Trainer Pep Guardiola überzeugt. Das 5-0 im Camp Nou beim Hinspiel-Clásico spricht Bände.


Ein Wunder – oder besser gleich vier Wunder – müssen her. Die Anhänger des Real Madrid hoffen auf José Mourinho. Dem portugiesischen Trainer gelang es in der vergangenen Saison mit einem viel schwächeren Inter Mailand den FC Barcelona aus dem Halbfinale der Champions League zu kicken und anschließend den Titel zu gewinnen. Warum soll „Mou“ nicht ein weiteres Mal zaubern können?

Dem Portugiesen ist der Druck, der auf ihm lastet, kaum anzumerken. Doch er weiß: Es geht für ihn um Alles oder Nichts. Kehrt er aus einigen der vier Spielen siegreich zurück und holt er gar noch einen Titel, wird er zum Helden. Im gegenteiligen Falle wird er wohl spätestens zum Saisonende die Königlichen verlassen. Und das obwohl eine Umfrage unter den Fans zeigt, sie wollen ihren „Mou“ weiterhin, egal wie die Saison endet. Doch intern hat sich Mourinho, der nie ein Blatt vor den Mund nimmt, zu viele Feinde gemacht. „Sein Job steht auf dem Spiel“, titelt die Zeitung Sport aus Barcelona am Freitag.

Eine lange Saison, in der Mourinho aus dem Haufen von individuellen Stars der letzten Saison, eine gut funktionierende Mannschaft aufgebaut hat, sieht ihrem Showdown entgegen. Real Madrid hat nichts mit der Mannschaft gemein, die in den letzten beiden Jahren ohne Titel blieb. Mourinhos Elf spielt zusammen, gibt ab, wenn ein Mitspieler eine bessere Position zum Tor hat, die Verteidigung funktioniert. Die Mannschaft gewinnt – fast jedes Wochenende. Der Vorsprung in der Tabelle zeigt dies. Es ist aber nur der Vorsprung auf den Dritten. Denn das Bessere ist des Guten Feind. Und das Bessere heißt in diesem Falle Tabellenführer FC Barcelona mit acht Punkten Vorsprung. In anderen Zeiten hätte Mourinho mit Real Madrid sicher alles gewonnen, was zu gewinnen ist. Doch er hat das Pech, zur falschen Zeit in der Hauptstadt angeheuert zu haben. „Traumfußball“, geben selbst die eingefleischtesten Madridistas kleinlaut zu, wenn sie den FC Barcelona spielen sehen.

„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Real Madrid ein drittes Jahr ohne Titel ausgeht“, spricht Stürmer Cristiano Ronaldo, der gegen Barcelona noch nie ein Tor geschossen hat, sich und seinen Kollegen Mut zu. Neben Bangen und Hoffen hat das Spekulieren Hochkonjunktur. 4-3-2-1 oder 4-2-3-1 oder eine Mannschaft, die fast nur auf Abwehr setzt, wie Mourinhos Intern Mailand im Champions League – Halbfinale im vergangenen Jahr, oder eine ganz neue Taktik, die spanischen Sportzeitungen werden nicht müde, verschieden Aufstellungen durchzuspielen. „Der Portugiese probiert seit vielen Spielen verschiedene Taktiken aus, in der Hoffnung Pep Guardiola zu verwirren und eine Aufstellung auszuarbeiten, die Barças Offensivfußball stoppen kann“, heißt es in der Zeitung Sport.

Einer drückt den Königlichen ganz besonders die Daumen, Raúl. „Hoffentlich kommen wir weiter und im anderen Halbfinale gewinnt Real Madrid, und wir sehen uns beim Endspiel in London“, spricht der ehemalige Stürmer aus Spaniens Hauptstadt und heutige Star auf Schalke, aus, was sich viele Real Madrid Fans wünschen. Träumen ist erlaubt – noch.

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