© 2011 Reiner Wandler

Spanish Bombs on Misurata

Es ist die traurige Realität eines Krieges. Während sich spanische F-18 Bomber an der Umsetzung der UN-Resolution 1973 zum Schutz der libyschen Bevölkerung beteiligen, tötet Waffentechnik aus dem gleichen Land Zivilisten in Misurata. Die Truppen von Oberst Muammar Al Gaddafi griffen in den vergangenen Tagen die einzige befreite Stadt im Westen Libyens mit Streumunition an. Die Granaten MAT-120 sind „Made in Spain“. Das belegen Fotos der Tageszeitung New York Times und der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW).


Laut Augenzeugenberichte, die HRW in einem Bericht vom vergangenen Freitag zitiert, kam es am Mittwoch und Donnerstag in den dicht bevölkerten Stadtteilen Shawahda, Maghdar und Kurzaz zum Einsatz von Streumunition. Vor einer Bäckerei sollen mindestens acht Menschen getötet worden sein, die um Brot anstanden, berichtet ein Journalist der New York Times aus dem belagerten Misurata. Für HRW ist es „erschreckend, dass Libyen diese Waffen speziell in Wohngebieten nutzt“.

Die MAT-120 ist eine Granate, die sich in der Luft öffnet und 21 Einzelgeschosse freisetzt. Diese schlagen wahllos in einem Umkreis von 50 bis 60 Metern ein. Jedes Einzelne kann bis zu 15 Zentimeter Panzerung durchschlagen. Bei der Explosion zerfallen die Einzelgeschosse in unzählige Metallsplitter, die eine verheerende Wirkung haben. Es handele sich, so HRW, um „Munition mit doppeltem Verwendungszweck (…) gegen Material und Menschen.“


Die MAT-120 stammt aus dem Hause Instalaza im ostspanischen Zaragoza. Obwohl Spanien zusammen mit 108 weiteren Ländern Ende 2008 ein Abkomme zum Verbot von Produktion, Lagerung und Einsatz von Streumunition ab 2010 unterschrieb, ziert die Granaten noch immer die Homepage des spanischen Unternehmens. „Die Instalaza AG führt die MAT-120 weiterhin auf, um das erreichte technologische Niveau hinsichtlich der Sicherheit und Zuverlässigkeit dieser Munition zu zeigen“, heißt es in einer Erklärung, die am Wochennende online ging. Es sei die „einzige Munition ihrer Art, die 0,0% gefährliche Fehlfunktionen“ aufweist. Blindgänger würden sich am Boden selbst zerstören oder sich selbst deaktivieren, um nicht die Bevölkerung zu gefährden.

Das spanische Verteidigungsministerium beteuert keinerlei Kenntnisse vom Einsatz der spanischen Granaten in Libyen zu haben. Das Haus von Ministerin Carme Chacón verweist darauf, das Spanien als erstes Land 2009 sein Streubombenarsenal vernichtete und damit Vorreiter des Verbotes dieser Art von Munition sei.


Das ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit. Bei den Verhandlungen über das Abkommen versuchte Madrid alles, um für die MAT-120 eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen. Damals argumentierte das Verteidigungsministerium mit der von Instalaza noch immer gepriesene Selbstzerstörung und Selbstdeaktivierung von Blindgänger.

Als dieses Ansinnen scheiterte, vollzog Spanien eine Kehrtwende um 180 Grad und setzte sich an die Spitze derer, die für ein Verbot von Streumunition eintreten. Kurz zuvor lieferte Instalaza – so Berichte der Tageszeitung El País – noch ganz regulär für knapp vier Millionen Euro MAT-120-Granaten an Gaddafi.

Fotos: Libya: Cluster Munitions Strike Misrata/Human Rights Watch Witnesses Attack Into Residential Area © 2011 Human Rights Watch

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