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Islamistenführer kehrt nach Tunesien zurück

Es war ein herzlicher Empfang. Über Tausend Anhänger jubelten am Sonntag dem Führer der tunesischen Islamistenorganisation Ennahda (Erneuerung), Rachid Ghannouchi, zu, als er zur Mittagszeit aus seinem Londoner Exil kommend in Tunis landete. Hinter dem 69-jährigen Geistlichen und Philosophie-Professor liegen mehr als 20 Jahre Exil. Vor ihm liegt die schwierige Aufgabe seine Partei in das demokratische Tunesien einzubinden.

„Wir werden an den Parlamentswahlen teilnehmen“, erklärte Ghannouchi, der unter dem gestürzten Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali in Abwesenheit zu lebenslanger Haft wegen „Verschwörung und Aufstand gegen den Staat“ verurteilt worden war, vor seinem Abflug in London. Zu den Präsidentenwahlen, die spätestens in sechs Monaten stattfinden sollen, werde Ennahda allerdings nicht antreten. Und er selbst werde künftig auch den Parteivorsitz jemandem anderen überlassen. „Wir haben jüngere und besser vorbereitete Mitgliedern“, erklärte Ghannouchi.

Hinter ihm liegen die Jahre des Exils in einem Einfamilienhaus in einem Londoner Vorort. Er empfing dort die ganzen Jahre die Presse und Vertreter islamistischer Organisationen anderer Länder. Seine Ennahda und seine Bücher gelten in der islamischen Welt als Vorbild für einen gemäßigten Islamismus. Die Partei entstand 1981 unter dem Einfluss der Muslimbrüder aus Ägypten, entwickelte sich aber nach und nach zu einer Organisation, die sich als „etwas konservativer als die in der Türkei regierende AKP von Recep Tayyip Erdogan“ definiert.

Ghannouchi bezeichnete sich im Gespräch mit europäischen Jouralisten immer wieder gerne als so etwas wie die islamische Version der Christdemokraten. Er verurteilt die Gewalt als Mittel der Politik und damit Al Qaida. „Die überwaltigende Mehrheit der islamischen Bewegung ist gegen die Anwendung der Gewalt“, erklärte er nach den Anschlägen vom 11. September. Und den Taliban wirft er ein „zu konservatives Verständis des Islam“ vor.

Unter Ghannouchi, der trotz des gleichen Nachnamens mit dem tunesischen Premier Mohammed Ghannouchi nicht verwandt ist, setzte Ennahda auf einen demokratischen Wandel in Tunesien. Von bewaffneten Kampf, wie im benachbarte Algerien, wollte die Organisation auch nach ihrem Verbot durch Ben Ali 1989, nachdem sie bei den Wahlen offiziell 17 Prozent der Stimmen erzielte, nichts wissen, auch dann nicht, als Tausende Mitglieder zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden.

Die gemeinsame Oppositonsarbeit und die gemeinsame Verfolgung durch die Dikataur Ben Alis hat zu einem Dialog zwischen den linken und religiösen Oppsitionskräften geführt, auf den viele in Tunesien auch für die Zukunft hoffen. 2005 unterzeichnete Ennahda gar eine gemeinsame Oppositionsplattform mit linken Parteien Tunesiens. Darin wird ausdrücklich die Gleichstellung der Frau festgeschrieben.

Keiner weiß, wie stark Ennahda heute noch ist. Seit dem Sturz Ben Alis wird die Partei, die einen Antrag auf Wiederzulassung gestellt hat, nur langsam wieder sichtbar. Strukturen hat sie so gut wie keine. Ihr Generalsekretär Hamadi Jabali ist einer der jungen Leute, auf die Ghannouchi setzt. Das Büro des Journalisten, der wegen seiner politische 16 Jahre Jahre im Gefängnis sass, ist sein Auto. Die Telefonzentrale die vier Handys im Handschuhfach. Er setzt auf den „freien Dialog mit allen demokratischen Kräften“.

Seine Ennahda werde alles tun, um nicht zu diesen Vorurteilen beizutragen. Er verspricht, weder das Islamische Recht einführen zu wollen, noch auf eine islamische Verfassung zu setzen. Wie das künftige Tunesien aussehe „wird alleine die freie Entscheidung des Volkes sein“, erklärt Jabali. Die Angst vor dem Islamismus sei eine „Psychose“ in Europa, die „die Diktatoren aus nutzen, um mit der Unterstützung Europas an der macht zu bleiben“.

Längst nicht alle trauen den moderaten Worten der Ennahda-Vertreter. So hat der tunesische Politikwissenschaftler Hamadi Redissi, der sich mit der Modernität in der arabischen Welt beschäftigt, vor wenigen Tagen eine Vereinigung gegründet, die zum Ziel hat, für die vollständige Trennung von Staat und Religion in der künftigen Verfassung einzutreten.

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