Portugals Ministerpräsidenten José Socrates weht es kalt ins Gesicht. Angesichts der Irlandkrise ist sein Land erneut den Spekulanten auf den internationalen Finanzmärkten ausgesetzt. Heute, Mitwoch, rufen die beiden großen Gewerkschaftszentralen, die kommunistische CGTP und deren sozialistische Schwesterorganisation UGT, erstmals seit 22 Jahren gemeinsam zum Generalstreik, um „der Regierung deutlich zu machen, dass die Politik geändert werden muss“. Und am Freitag dann, steht der in Minderheit regierende Sozialist vor dem Problem, den Stein des Anstoßes, einen Haushalt mit nie dagewesenen Sparmaßnahmen, durchs Parlament zu bringen. Als wäre das nicht genug, befindet sich Portugal im Dauerwahlkampf. Denn im Januar stehen Präsidentschaftswahlen an. Die Sozialsten wollen das Amt des Staatschef zurückerobern.
Socrates beschwört die internationale Meinung. „Portugal ist nicht Irland“, wiederholt er unermüdlich. Sein Land habe einen gesunden Bankensektor und außerdem habe es nie eine Spekulationsblase im Immobiliensektor gegeben, wie in Irland oder im benachbarten Spanien.
Dennoch droht die Krise des „keltischen Tigers“ Portugal anzustecken. Diese Woche stiegen die Zinsen für Staatsanleihen auf neue Rekordwerte. Denn Portugals Staatsbudget ist aus dem Lot. Ende 2009 belief sich die Staatsverschuldung auf 109 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes (BIP). Dieser endgültige Wert liegt erheblich über den bisher abgegeben Schätzungen. Die Neuverschuldung belief sich im vergangenen Jahr auf 9,4 Prozent.
Der sozialistischen Regierung blieb kein anderer Ausweg als die Mehrwertsteuern und die Abgaben für Besserverdienende zu erhöhen und die Schere auf der Ausgabenseite anzusetzen. Socrates fror bereits im März die Gehälter von Beamten und öffentlichen Angestellten ein. Jetzt setzt er die Schere an. Je nach Einkommensstufe werden die Gehälter zwischen 3,5 und 10 Prozent ihres Gehaltes gekürzt. Die Pensionsabgaben im öffentlichen Dienst werden angehoben. Außerdem werden für alle der Pendlerzuschlag und das Familiengeld gestrichen, die Renten eingefroren, und die Mehrwertsteuer wird um weitere zwei Punkte auf 23 Prozent erhöht. Im Frühjahr hob die Regierung Socrates bereits den Steuersatz für Besserverdienende an, Staatsbetriebe werden zum Verkauf angeboten und staatliche Investitionen auf Eis gelegt. Der Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke ins benachbarte Spanien wurde zum Beispiel um zwei Jahre verschoben.
Die Maßnahmen zeigen erste Wirkungen. Dieses Jahr dürfte das Land auf der iberischen Halbinsel mit einem Defizit von 7,3 Prozent abschließen. Im nächsten Jahr soll es dann auf 4,6 Prozent gedrückt werden. Und 2013 will Socrates wieder unter dem Eurokriterium von 3 Prozent sein.
Doch dazu muss der Haushalt am Freitag durchs Parlament. Der in Minderheit regierende Sozialist ist auf Unterstützung angewiesen. Von Links wird er diese nicht bekommen. Die Fraktionen jenseits der Sozialistischen Partei (PS) unterstützen den Generalstreik der Gewerkschaften gegen das Sparprogramm. Bleibt nur der Blick nach rechts. Die konservative Sozialdemokratische Partei Portugals (PSD) hat sich bei den bisherigen Haushaltsabstimmungen enthalten und so den Sozialisten eine Mehrheit verschafft. Im Gegenzug versprach Socrates eine Steuerreform in Angriff zu nehmen.
Doch die bittere Medizin des Sparprogramms hat auch negative Auswirkungen. Die Portugiesen konsumieren weniger. Staatsaufträge bleiben aus. Dadurch dürfte das Wachstum im kommenden Jahr auf 0,2 Prozent zurückgehen und die Arbeitslosigkeit auf bis zu 11 Prozent steigen. Der Arbeitsmarkt schwächelt zudem, dank eines chronischen Prodiktivitätsproblems.
Das Sparpaket lässt die Sozialisten bei Umfragen sinken. Und das nur etwas mehr als zwei Monate vor den Präsidentschaftswahlen. Der Sozialist Manuel Alegre tritt gegen den konservativen Staatschef Aníbal Cavaco Silva an. Socrates plant, so Presseberichte, nach der Haushaltsabstimmung sein Kabinett umzubilden, um damit verlorene Unterstützung zurückzugewinnen.
Zumindest Brüssel verteidigt den angeschlagenen Socrates. „Die spekulative Attacken gegen Spanien und Portugal sind nicht gerechtfertigt“, erklärt der Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Er lobte den entschlossenen Sparkurs Portugals und verwies darauf, dass anders als in Irland der Bankensektor gesund sei. Er gehe deshalb nicht davon aus, dass der Funke automatisch überspringen werde. „Er wird auch jetzt nicht so in der Form überspringen können, weil wir ja jetzt Irland nicht seinem Schicksal überlassen, sondern in gemeinsamer Anstrengung mit der irischen Regierung versuchen, den irischen Zug wieder aufs Gleis zu bringen“, ergänzte Juncker. Socrates kündigte an, sich an der Rettung Irlands beteiligen zu wollen.