Der israelische Botschafter in Madrid, Raphael Schutz, staunte nicht schlecht, als er vom Inhalt des Paketes erfuhr. „Die Juden morden für Geld!“, „Wie viele Palästinenser habt ihr heute umgebracht?“, „Überlasst das Land den Palästinenser!“ oder „Geht irgendwo hin, wo sie Euch akzeptieren!“ war auf den darin liegenden Briefen und Postkarten zu lesen. Das Paket trug den Absender der öffentlichen Grundschule El Castell in Almoines, einem Ort in der spanischen Mittelmeerregion Valencia. „Die beiliegenden Zeichnungen können nur von Erst- und Zweitklässlern stammen“, erklärt ein Botschaftssprecher. Was bei der israelischen Vertretung in Madrid sonst ohne großes Aufsehen in den Papierkorb wandert, zog dieses Mal Kreise. Das Aussenministerium in Jerusalem beschwerte sich Ende Februar ganz offiziell bei der spanischen Botschaft im Lande über die „Hasskampagne“.
„Wir bekommen regelmäßig solche Briefe von Schülern“, erklärt ein Botschaftssprecher. Manche Lehrer und pro-palästinensische Gruppen würden Unterrichtseinheiten an den öffentliche, spanischen Schulen dazu nutzen, um die Schüler zu Briefaktionen gegen Israel zu bewegen. Darauf angesprochen, zeigt sich ein Sprecher des spanischen Aussenministeriums „erstaunt, dass der Zwischenfall an die Presse gelangt“ sei. „Das Paket ist ein Einzelfall“, bekräftigt er dann mehrmals. Er wolle auf keinen Fall, dass der Eindruck entstehe, Spanien sei antisemitisch, deshalb sei das Kultusministerium mit der Untersuchung des Falles beauftragt.
Dort will man von all dem nichts wissen. „Keine Information“ und „Wir werden keine Stellungnahme abgeben“, lauten die einzigen Sätze, die ein Sprecher des Kultusministeriums von sich gibt. Dann schiebt er die Verantwortung weiter. Das Schulsystem sei in Spanien Sache der Autonomen Regionen, also in diesem Falle des Landes Valencia. Die Schulbehörde der konservativen Landesregierung sammle „noch Informationen (…) sobald das zu Ergebnissen geführt hat, (…) werden wir Ihnen dies mitteilen“, heißt es in einer dreizeiligen email.
„Bei uns ging keine offizielle Beschwerde ein“, erklärt der Direktor der fraglichen Grundschule El Castell, Batiste Malonda. Er ist sich keiner Schuld bewusst. Auf die Frage ob Erst- und Zweitklässler alt genug seien, um sich mit dem Nah-Ost-Konflikt auseinanderzusetzen erklärt der Grundschulpädagoge: „Das ist subjektiv, und darüber werde ich nicht reden.“ Und auf den Vorwurf des Antisemitismus angesprochen, reagiert Malonda mit „Keinen Kommentar“. „Es handelte sich um eine Aktivität am Schulischen Friedenstag“, sagt Malonda dann. Wie jedes Jahr hätten Lehrer Schüler und Eltern den 30. Januar genutzt, um ein Thema auszusuchen und zu bearbeiten. „Das mündet immer in eine Aktivität. Dieses Jahr waren es die Postkarten an die israelische Botschaft“, erklärt Direktor Malonda, der in Valencia als pädagogischer Reformer und als Aktivist der linksnationalistischen Gewerkschaft STEPV bekannt ist.
Für den Vorsitzenden des Bundes der Jüdischen Gemeinden in Spanien (FCJE), Jacobo Israel Garzón ist der Vorfall „ein Theme politischer Indoktrination an den Schulen“. Der Informatiker aus Madrid beklagt seit Jahren die Zunahme des Antisemitismus. Umfragen zeigen, dass nirgends die Ablehnung der jüdischen Religion so gestiegen hat, wie im erzkatholischen Spanien. Eine Untersuchung des spanischen Kultusministeriums aus dem Jahre 2008 ergibt, dass sich 56 Prozent der Gymnasiasten „im Unterricht auf keinen Fall neben einen Juden setzen“ würden. Und bei einer Umfrage renommierten us-amerikanischen Anti-Defamation League aus dem gleichen Jahr geben 46 Prozent der Spanier an, eine „schlechte Meinung“ von Juden zu haben. 2005 waren es gerade einmal 21 Prozent.
Dabei dürften die wenigsten der Befragten jemals Kontakt mit einem Menschen jüdischen Glaubens gehabt haben. Denn Ende des 15. Jahrhunderts wurden die spanischen Juden , die zehn Prozent der Gesamtbevölkerung stellten, des Landes verwiesen. Heute leben gerade einmal 40 – 50.000 Menschen jüdischen Glaubens in Spanien.