Mhamed Khadad ist Mitglied der Führung der Polisario und deren Verbindungsmann zur UN-Mission in der Westsahara (Minurso). Khadad wurde vor 57 Jahren in Miyec, im Süden der damaligen spanischen Kolonie Westsahara, geboren. Seit der Besetzung seiner Heimat durch Marokko 1975 lebt er in den Flüchtlingslagern in Algerien.
Die sahrauische Menschenrechtsaktivistin Aminatu Haidar befindet sich seit nunmehr einem Monat auf Lanzarote im Hungerstreik, weil sie in ihre Heimat zurückkehren will. Doch weder der Druck der Europäische Union, der UNO oder der USA auf Marokko scheinen Wirkung zu zeigen?
Aminatu Haidar wurde von Marokko völlig ungerechtfertigt abgeschoben. Sie verlangt nichts Unmögliches. Sie besteht nur auf das fundamentale Recht zurückzukehren, um mit ihren Kindern und ihrer Mutter zusammenzusein. Marokko weigert sich. Das ist inakzeptabel. Denn es geht hier um etwas Grundsätzliches – um die Menschenrechte. Marokko ist einer der privilegierten Partner der Europäischen Union. Und das obwohl Marokko weder den demokratischen Ansprüchen der EU gerecht wird, noch die Menschenrechte respektiert. Der Fall Haidar zeigt dies sehr deutlich. Die EU muss ihre Politik gegenüber Marokko endlich überdenken.
Ich kann die passive und ängstliche Haltung Spaniens nicht verstehen. Spanien ist für die Situation in der Westsahara verantwortlich. Madrid schloss 1975 mit Marokko und Mauretanien einen Vertrag, um die Westsahara an die beiden Länder abzutreten. Bis heute unterstützt Spanien Marokko. Rabat kommt in den Genuss unzähliger Hilfsprogramme. Spanien ist für Marokko von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Madrid macht sich immer wieder zum Sprecher Marokkos in der EU. Sicher, Marokko ist ein schwieriger Nachbar, der immer wieder damit droht, die Zusammenarbeit in Sachen Immigration oder Terrorbekämpfung einzustellen, falls Madrid nicht macht was Rabat will. Marokko erpresst damit nicht nur Spanien, sondern auch die EU. Das geht auf unsere Kosten. Wir sind seit 34 Jahren besetzt, unsere Rechte werden mit Füßen getreten. Ich frage mich, wie lange Europa das noch mitmachen will.
Seit die UNO 1991 einen Waffenstillstand zwischen Marokko und der Polisario vermittelte, sind alle Versuche, ein Referendum über die Zukunft der Westsahara abzuhalten, am Widerstand Marokkos gescheitert. Jetzt bietet Rabat den Sahrauis einen Autonomiestatus innerhalb Marokkos an. Was halten Sie davon?
Die Westsahara gehört nicht zu Marokko. Das Gebiet ist besetzt. Also kann Marokko nach internationalem Recht gar keinen Autonomiestatus anbieten. Die Bevölkerung muss entscheiden. Aminatu Haidar war sieben Jahre alt, als die Westsahara besetzt wurde. Ihr Hungerstreik zeigt, dass alle Versuche, die Sahrauis zu marokkanisieren, gescheitert sind.
Der Gesundheitszustand von Aminatu Haidar verschlechtert sich zusehends. Wäre es nicht an der Zeit zu sagen: „Du hast die Öffentlichkeit wachgerüttelt. Hör bitte auf mit dem Hungerstreik. Wir brauchen dich weiterhin“?
Das Leben von Aminatu Haidar ist für uns sehr wichtig. Wir wollen nicht, dass sie sich mit dem Hungerstreik weiter in Gefahr bringt. Aber Haidar fühlt sich ungerecht behandelt. Sie wurde ungerechtfertigterweise abgeschoben. Sie will einfach nur nach Hause zu ihren Kindern. Haidar ist die einzige Deportierte des 21. Jahrhunderts. Nicht einmal eine Diktatur wie Birma griff zu diesem Mittel. Suu Kyi lebt, wenn auch unter Hausarrest, weiterhin in ihrer Heimat.
Was passiert, falls Aminatu Haidar stirbt?
Das mag ich mir gar nicht vorstellen. Ich wünsche mir, dass sie weiterlebt und die Möglichkeit hat, nach Hause zurückzukehren. Doch Haidar ist kein Einzelfall. Dutzende von sahrauischen Menschenrechtlern wurden in den letzten Monaten inhaftiert. Internationale Delegationen werden bei ihrer Arbeit behindert. Falls niemand Marokko stoppt, wird diese Politik zu neuen Spannungen und einer nicht kontrollierbaren Situation in der Region, und damit vor den Toren Europas, führen.