© 2009 Reiner Wandler

"In fünf Jahren gibt es keine Musik mehr"

In Spaniens Netz geht es heiß her. Von einem „digitalen Staatsstreich“ ist die Rede und von „den Talibanen der Autorenrechte“. Der Grund: Spaniens Regierung hat ein neues Gesetz in Vorbereitung, das die Wirtschaft nachhaltiger machen soll. Das an sich wäre kein Grund zur Aufregung. Doch in einem der AParagraphen ist vom „Schutz gegen Internetpiraterie“ die Rede. Künftig soll ein Ausschuss das „Geistige Eigentum“ überwachen.

Webseiten, die wie Cinetube, Tusseries oder Elitefreak Links zu Download-Seiten anbieten, sollen von der neuen Kommission blockiert oder gar geschlossen werden können – ob mit oder ohne richterliche Kontrolle, ist noch nicht entschieden. Peer-to-Peer wird davon erstmal nicht direkt betroffen sein. Ebensowenig sollen User, die geschützte Inhalte herunterladen, vom Zugang zum Internet gesperrt werden.

Die Debatte über Autorenrechte und Piraterie läuft schon seit Jahren. Spaniens Musikindustrie sieht sich hart betroffen. Immer mehr Plattenläden verschwinden aus dem Stadtbild. Laut der Vereinigung der Techniker haben in Spanien 200 Aufnahmestudien ihren Betrieb eingestellt. 40 Prozent der Tontechniker sollen demnach ihren Job verloren haben. Selbst CD-Presswerke wurden geschlossen.

Nicht nur Filesharing im Netz ist in Spanien sehr beliebt, auch ist Spanien eines derjenigen europäischen Länder, in denen es am leichtesten ist, bei Straßenhändlern schwarz kopierte Musik, Filme und Viedeospiele zu erstehen. „In fünf Jahren wird es hier keine Musik mehr geben“, befürchtet deswegen der spanische Liedermacher Aute, der zusammen mit 2500 Kollegen aus dem Musikgewerbe ein Manifest (PDF) unterzeichnet hat und am Dienstag vor dem Industrieministerium „gegen die Piraterie“ demonstrierte.

Blogger und Internetunternehmer in Spanien sehen dies anders: Für sie ist jeder Eingriff in die Neutralität des Netzes ungerechtfertigt. Ein „Manifest zur Verteidigung der Grundrechte im Internet“ macht mittlerweile die Runde und soll nach Angaben der Initiatoren auf rund 150.000 Webseiten zu sehen sein. „Die Autorenrechte dürfen nicht über den Grundrechten der Bürger stehen“, heißt es da. Die vorgesehene Gesetzgebung schaffe Rechtsunsicherheit im gesamten spanischen Technologiesektor.

Auch vom Vorsitzenden der Kino Akademie, der Regisseur Alex de la Iglesia ist mit dem Vorhaben der Regierung nicht einverstanden. Um gegen die Piraterie erfolgreich vorzugehen, müsse es eine – wenn auch kostenpflichtige – Alternative geben, „wo Kino und Musik legal heruntergeladen werden können, bevor eine Tür geschlossen wird, die heute zum Leben der Menschen gehört.“

Der Industrie selbst gehen die Pläne der Regierung nicht weit genug. Antonio Guisasola, der Vorsitzenden des Unternehmerverbandes der Plattenindustrie, beklagt sich, dass der Gesetzesentwurf weit hinter dem zurückbleibe, was in Frankreich, Großbritannien oder in Japan im Gespräch ist. In diesen Ländern soll Peer-to-Peer verfolgt werden. „70 Prozent der Piraterie in Spanien findet mittels Peer-to-Peer statt“, mahnt Guisasola.

Was bisher geschah: