© 2008 Reiner Wandler

Blackout im Maghreb


Mit al-Dschasira kam die Informationsfreiheit in die arabische Welt. Und genau das gefällt Marokkos König Mohamed VI. nicht. Der panarabische Sender mit Hauptsitz in Qatar strahlte jeden Tag von Marokkos Hauptstadt Rabat eine Nachrichtensendung über den Maghreb aus. Damit ist jetzt Schluss. Mit einem einfachen Fax der Telekommunikationsbehörde wurde vergangene Woche al-Dschasira die Sendefrequenz entzogen – „aus technischen und juristischen Gründen“, wie es darin lapidar heißt.


Die Maghrebnachrichten gingen erstmals im November 2006 auf Sendung. „Wir haben damals alle Papiere eingereicht“, sagt Studioleiter Hassan Rachidi. „Doch der Antrag auf eine dauerhafte Sendegenehmigung wurde auf Eis gelegt. Deshalb waren wir gezwungen, alle drei Monate eine vorläufige Lizenz zu beantragen.“ Jetzt bleibt der Bildschirm schwarz, obwohl die aktuelle Sendegenehmigung noch bis Mitte Juni gültig ist. „Wir haben einen Nachrichtenraum geschaffen, wie es in zuvor so nicht gab. Die Menschen im Maghreb begannen sich für ihre Nachbarländer zu interessieren“, sagt Rachidi.

Doch genau das dürfte Marokkos König Mohamed VI. nicht gefallen haben. Er sieht es nicht gerne, dass die Missstände in seinem Königreich nach außen getragen werden. Doch al-Dschasira tat dies fleißig. Immer wieder berichtete die Sendung über den Konflikt in der seit über 30 Jahren von Marokko besetzten ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara. Soziale Missstände, Proteste und der ständige Zuwachs der Islamisten wurden ebenfalls regelmäßig thematisiert. Doch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war vermutlich ein Bericht über die Kontakte des verstorbenen Vaters von Mohamed VI., Hassans II., zum israelischen Geheimdienst Mossad.


„Der überstürzte Entzug der Lizenz und das Fehlen jeglicher Begründung lassen den Schluss zu, dass es sich um eine politische Entscheidung handelt“, beschwert sich Reporter ohne Grenzen (RsF). Die in Paris ansässige NGO, die über die Pressefreiheit wacht, beobachtet seit geraumer Zeit die Entwicklung in Marokko mit großer Sorge. Vorbei ist die Zeit der Öffnung, die nach dem Tod von Hassan II. im Jahre 1999 zunächst einsetzte. Mohamed VI. zieht die Schraube wieder an. Immer häufiger werden Journalisten zu monatelangen Haftstrafen verurteilt und Zeitungen geschlossen. Zur Begründung muss der Verweis auf das neue Pressegesetz aus dem Jahre 2002 herhalten: Dieses erlaubt es der Regierung, ohne richterliche Anordnung einheimische Publikationen zu schließen und ausländischen Blättern den Vertrieb zu untersagen, „wenn die betreffenden Publikationen den Islam, die Monarchie oder die Integrität des Staatsgebietes und die öffentliche Ordnung angreifen“.

Manchmal greift das marokkanische Regime auch zu noch härteren Methoden. Das musste auch al-Dschasira erfahren. So wurde Hassan Fatih, einer der Korrespondenten des Senders, im Juni vergangenen Jahres von der Polizei krankenhausreif geschlagen, als er über ein Sit-in von Angehörigen politischer Gefangener berichten wollte. Es bleibt, so RsF, ein Eiertanz: „Der König jongliert unaufhörlich mit dem Wunsch, sein gutes Bild im Ausland zu wahren, und der Versuchung, die unabhängige marokkanische Presse zu kontrollieren“, heißt es im jüngsten Jahresbericht.

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