Spanien hat einen neuen Klingelton: „Warum hältst du nicht die Klappe?“ quäckt es immer öfter aus dem Handys. Es ist die Stimme von König Juan Carlos I., wie er beim letzten ibero-amerikanischen Gipfel den venezuelanischen Präsidenten Hugo Chávez zusammenstaucht.
König Juan Carlos I., der am 5. Januar 2008 seinen 70. Geburtstag feiert, kann die elektronische Popularität gebrauchen. Die letzten Monate waren alles andere als erfreulich. Linke und nationalistische Demonstranten verbrennen in Katalonien immer wieder Fotos des Monarchen und der Königin Sofia, Karikaturisten der Satirezeitschrift El Jueves nehmen das Königshaus auf die Schippe, und ein Sprecher in der COPE, dem Radiosender der spanischen Bischofskonferenz, fordert den Rücktritt von Juan Carlos zugunsten seines Sohnes Prinz Felipe. Er habe Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero bei den gescheiterten Verhandlungen mit der bewaffneten, baskischen Separatistengruppe ETA unterstützt, wirft der Rechtsaussensender Juan Carlos I. vor.
Auch privat gibt das Königshaus in den letzten Monaten genug Anlass zur Kritik. Der Verschwendungssucht beschuldigt, musste der Monarch einen Finanzverwalter ernennen. Und auch um die Vorbildfunktion der Königsfamilie im katholischen Spanien ist es alles andere als gut bestellt. Zuerst mussten die Monarchisten vor knapp vier Jahren mit Fernsehreporterin Letizia eine Weltliche als Frau von Kronprinz Felipe und damit als künftige Königin akzeptieren. Und diesen November kam ein noch viel dickeres Problem. Die älteste Tochter von Juan Carlos und Sofia, Infanta Elena trennte sich. So etwas hatte es bisher in der Monarchie noch nicht gegeben. „Auf Zeit“, verlautete aus der Pressestelle des Königshauses, als Ehemann Jaime de Marichalar überraschend auszog. Doch die Monarchieexperten berichten auf die Klatschseiten der spanischen Tageszeitungen, die Trennung sei endgültig, die Scheidung werde bald folgen.
Doch all das wird jetzt zum 70. Geburtstag des Monarchen kaum eine Rolle spielen. Einmal mehr wird nicht nur das offizielle Spanien die Verdienste Juan Carlos I. um die Demokratie in den Vordergrund stellen. Dabei war er als junger Prinz von Asturien, nach dem Tode des Diktators Francisco Franco 1975, weder bei der Linken noch bei der Rechten beliebt. Den einen galt der Enkel des in den 30er Jahren gestürzten Monarchen Alfonso XIII. als eine „Kasperl“, der die Macht der Franco-Riege auch nach dem Tod des Generalisimo absichern sollte. Die anderen wollten sich des jungen Königs genau dazu bedienen. Begeistert waren sie von der auf Wunsch des verstorbenen Diktators wiedereingeführten Monarchie jedoch auch nicht.
Juan Carlos sollte alle überraschen. Der junge König, der im Exil geboren wurde und erst zur Schul-, Universitäts- und Militärausbildung ohne seine Eltern nach Spanien zurückgekehrt war, bewies Gespür im Umgang mit der politischen Klasse. Geschickt verstand er es, sich mit reformbereiten Kräften des alten Regimes zu umgeben. Es begann die Transición – der Übergang zur Demokratie.
Der schwerste Augenblick seiner Amtszeit stand Juan Carlos am 23. Februar 1981 durch, als ein Teil der Armee die junge Demokratie beenden wollten. Die Panzer rollten in Valencia und Madrid. Das Parlament wurde von Guardia Civiles besetzt. König Juan Carlos trat in der Uniform des Oberbefehlshabers vor die Fernsehkamera und sprach sich für die Verfassung aus. Der Putsch brach zusammen. Am nächsten Tag gingen weit über eine Million Menschen in Madrid für die Demokratie auf die Straße. Aus dem von Franco eingesetzten Monarchen war endgültig ein Bürgerkönig geworden.
Anders als das britische Königshaus, gibt sich Juan Carlos I. volksnah und erobert so die Herzen der Spanier. Ob mit einem Enkel spielend, mit der Presse spaßend, jubelnd beim Sport … der König hat bei seinen Untertanen den Ruf „ganz normal“ zu sein. Juan Carlos I. ist „Monarch in einem republikanischen Land“, so die Kommentaristen und Biografen – nicht ohne Zuneigung.
Doch anders als der Titel vererbt sich das Charisma nicht. Deshalb steht die spanische Monarchie bald wieder vor einer Probe, dem Wechsel vom Vater Juan Carlos zu Sohn Felipe, auf den alle seit Jahren warten. Der Prinz muss dann die Herzen des Volkes und insbesondere seiner Generation erobern. Das wird nicht leicht. Denn 38 Prozent der 18 bis 29-Jährigen hätten laut Umfrage lieber eine Republik als die Monarchie. Wenn Felipe sein Geschäft nicht ordentlich macht, könnten sie ihm schon bald den neuen Klingelton vorspielen. / Foto (Attribution-Share Alike) : א (Aleph)