© 2007 Reiner Wandler

Best of Madrid


Schlangestehen, um ein paar Espadrilles zu kaufen? Ja, das gibt es. Viele Madrileninnen harren stundenlang in der Hitze aus, um endlich bis zur Theke eines kleinen Ladens unweit der Plaza Mayor vorzudringen. Nirgends gibt es eine so große Auswahl von den traditionellen Stofflatschen mit Bastsohle wie in der gerade mal 20 Quadratmeter großen Casa Hernanz: in allen Farben, mit flachen Absätzen, mit hohen Absätzen, zum Binden, zum Reinschlüpfen, hinten offen, geschlossen.

Casa Hernanz gehört zweifellos zu den el mejor sitio, den „Best of“ von Madrid. JedeR kennt diese Geschäfte, die sich mit ihrer Spezialisierung seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten einen Namen gemacht haben. Die Altstadt ist, trotz ständig zunehmender globalisierter Ladenketten, noch immer voll davon. Gleich neben Hernanz werden bei Calzados Toledo Lederschuhe von Hand gefertigt. Das Besondere: Als Sohle wird Gummi von Autoreifen benutzt. Und wer eine besondere Kopfbedeckung sucht, der geht zu Casa Yustas, dem besten Hutgeschäft der Stadt. Doch was wäre Madrids Best-of-Route ohne kulinarische Genüsse? Natürlich sind auch sie nicht ohne Schlangestehen zu haben. An Weihnachten geht, wer auf sich hält, zu Casa Mira unweit des Parlaments. Hier wird der turrón, die typische Weihnachtssüßigkeit, handgemacht. Den Rest des Jahres beglückt Mira die Kunden mit Teigschälchen, gefüllt mit Innereien.

Auch bei ganz banalen Dinge, die das Leben versüssen, gibt es die Top-Adresse. Caramelos-Paco hat alle BonBons, die sich das Kinder- und Erwachsenherz nur wünschen kann. An Drei König gibt es nich weit davon bei El Pozo den besten Roscón de Reyes, einen mit Sahne gefüllten Hefering. Er ist so gut, dass die Kunden telefonisch vorbestellen. An Drei König morgens stehen sie dann Schlange, um ihre reservierte Kalorienbombe abzuholen. Wer übrigens einen Tag früher hingeht, muss nicht anstehen. Doch Tradition ist Tradition. Und die verlangt, dass der Hausherr am Drei-König-Morgen das Gebäck ersteht.

Zu Weihnachten und Drei König verlost die staatliche Lotterie ihre größten Preise. Was ein richtiger Spieler ist, der kauft seine Lose nicht irgendwo, sondern der steht bei Doña Manolita Schlange. Von der Dame, die dem Laden an der Puerta de Sol, dem Platz, an dem alle spanischen Nationalstraßen beginnen, den Namen gab, ist längst nur noch ihr Ruf übrig. Dennoch gilt: Wer bei Doña Manolita kauft, dem ist das Glück holder. Und kommen Sie jetzt nicht mit Statistik und wer mehr verkauft, hat mehr Chancen, dass ein Gewinnlos dabei ist!

Freilich eint die Frage nach dem „Besten Platz für“ die Madrilenen nicht immer. Auch wenn es bei Casa Mira, Doña Manolita und El Pozo keine Diskussionen gibt, scheiden sich bei anderen Genüssen die Geister. So etwa beim besten Fischladen oder beim besten Metzger. Und ständig führt einem ein Freund in die Kneipe, die seiner Ansicht nach dies oder das am besten kann. Der Gesprächsstoff ist vorgegeben. Zwar ist die Kneipe nicht schlecht, oft sogar hervorragend, aber die Beitz zu Hause, gleich um die Ecke, ist natürlich um Längen besser. Bei kulinarischen Touren empfiehlt sich übrigens ein gesunder Magen, der die traditionellen Raciones von orejas – gebratene Schweinsohren – oder gallinejas – auf eine Astgabel gewickelte gegrillte Lammdärme verträgt.

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