© 2010 Reiner Wandler

Prozess gegen Chefermittler

Der Name Maddie ist in Portugal wieder in aller Munde. Der Grund: Die Eltern des 2007 im portugiesischen Badeort Praia da Luz verschwundenen britischen Mädchens Madeleine McCann befinden sich seit Montag Abend erneut im Land. Sie nehmen in Lissabon als Zuschauer an einem Prozess teil, den sie selbst gegen den ehemaligen portugiesischen Chefermittler Gonçalo Amaral angestrebt haben. Gerry und Kate McCann verklagen den 49-jährige Polizeioffizier auf eine Million Pfund Schadensersatz. Er habe sie in seinem Buch „A Verdade da Mentira“ (Maddie- Die Wahrheit über die Lüge) verleumdet. Amaral hält darin an seiner Theorie fest, die zum Zeitpunkt des Verschwindens knapp vier Jahre alte Madeleine sei tot. Ihre Eltern seien in den Fall selbst verstrickt. Amaral beruft sich dabei auf seine eigene Ermittlungen in dem bis heute nicht geklärten Fall.

Die McCanns berichten gegenüber der portugiesischen Polizei, sie hätten die kleine Maddie am Abend des 3. Mai 2007 alleine in ihrer Ferienwohnung an der portugiesischen Küste gelassen, um mit Freunden zu feiern. Bei ihrer Rückkehr sei das Mädchen nicht mehr da gewesen. In den ersten Wochen vernahm die Polizei mehrere Verdächtige aus der Nachbarschaft, ohne Erfolg. Schließlich ermittelte Amaral auch gegen die Eltern. In einem der Mietwagen, den die McCanns benutzt hatten, wurden Spuren gefunden, die „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ als Leichensekret Madeleines zu deuten seien. In der Wohnung hätten sich minimale Blutreste befunden. „Wir sind fast sicher, dass Madeleine in der Ferienwohnung tödlich verunglückte, aber wir haben keine schlüssigen Beweise“, resümierte die Behörden damals.

Maddie war längst zur bekanntesten Verschwundenen Europas avanciert. Die Verdächtigungen gegen die Eltern sorgten für einen Aufschrei in der britischen Sensationspresse. Portugals Polizei sah sich genötigt die Ermittlungen gegen die McCanns einzustellen. Amaral wurde vom Fall abgezogen und schließlich in den Ruhestand geschickt. Im Juli 2008 wurden der Fall endgültig zu den Akten gelegt.

Das Ehepaar McCann besteht auf seiner Version. Maddie sei entführt worden und vermutlich noch am Leben. Die McCanns sammeln bis heute mit großem Erfolg Spenden und haben einen Privatermittler eingeschaltet. Zuletzt veröffentlichte dieser ein Fotomontage, auf der zu sehen ist, wie Madeleine, heute im Alter von sechs Jahren aussehen könnte. „Es wird diesen Jahr wieder einen leeren Platz am Weihnachtstisch geben. Wenn sie etwas wissen – tun Sie das Richtige, und helfen Sie ih zu besetzen“, lautete ein dramatischer Aufruf, den die McCanns im Dezember auf ihrer web platzierten.

„Wenn es Leute gibt, die unsere Suche behindern, können wir nicht einfach stillhalten“, rechtfertigt Kate McCann das Verfahren gegen Amaral, das im Dezember vertagt werden musste, der Anwalt des Angeklagten wegen Verdacht auf Schweinegrippe unter Quarantäne stand. Der Prozess in Lissabon soll drei bis vier Tage dauern. Mit einem Urteil wird in ein bis zwei Wochen gerechnet. Die McCanns haben bereits eine Einstweilige Verfügung gegen den Verkauf von Amarals Buch erwirkt.

„In Portugal herrscht doch Meinungs- und Informationsfreiheit“, verteidigt der Angeklagte sein Buch. Der ehemalige Polizeioffizier plant derweilen einen medienwirksamen Gegenschlag. Er will Ende Februar in England auf einer Tagung die McCanns erneut für das Verschwinden Maddies verantwortlich machen. Geladen hat die Madeleine Foundation pressure group, einer Organisation, die Amarals Theorie unterstützt. „Mit einer sorgfältig abgestimmten Nutzung der Medien, hat die Kampagne ‚Find Madeleine‘ die Unterstützung des Papstes, von Oprah Winfrey, von Politikern aus dem Vereinigten Königreich und von berühmten Fernsehstars und Sportlern gewonnen“, heißt es auf der web der Gruppe.

Amaral, der sich immer wieder über die Einmischung der britischen Polizei in seine Ermittlungen beschwerte, sei auf Druck der Regierung in London vom Fall abgezogen worden. Die britische Polizei ermittelt offiziell bis heute weiter. Sie weigert sich allerdings ihre Unterlage zu veröffentlichen, „solange es sich um ein schwebendes Verfahren handelt“. Ein im Prozess gegen Amaral geladener Scotland Yard Beamter wird unter Berufung auf „staatliche Immunität“ nicht vor Gericht erscheinen.

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