© 2009 Reiner Wandler

Kein Erbarmen

Die marokkanischen Behörden haben am Samstag Aminatou Haidar, eine der bekanntesten saharauischen MenschenrechtlerInen, auf die Kanarischen Inseln abgeschoben. Die 42-jährige sitzt seither auf dem Flughafen in Lanzarote fest. Haidar war am Tag zuvor aus den USA in die seit 1975 von Marokko besetzte Westsahara zurückgekehrt, wo sie in New York von der Train-Stiftung mit dem Preis für Zivilcourage ausgezeichnet worden war. Als sie auf dem Flughafen in El Aaiún, der Hauptstadt der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara, ankam, wurde sie 24 Stunden festgehalten und dann ohne Pass in einen Maschine nach Lanzarote gesetzt.

Dort angekommen weigerte sich die Menschenrechtsaktivistin zuerst das Flugzeug zu verlassen. Schließlich konnte die spanische Polizei sie dazu überreden. Als sie später wieder Richtung El Aaiún einchecken wollte, wurde ihr dies verweigert. Es sei kein Platz an Bord und außerdem könne sie ohne Pass nicht reisen, lautete die Begründung der Spanier. Haidar denkt mittlerweile über einen Hungerstreik nach.

„Die saharauische Gandhi“ nennen ihre Landsleute Haidar. Mit 21 Jahren wurde sie zum ersten Mal festgenommen. Sie hatte anlässlich des Besuchs einer UN-Delegation an einer Demonstration für eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der Westsahara teilgenommen. Haidar wurde verhaftet und ohne Verfahren vier Jahre lang in verschiedenen, marokkanischen Gefängnissen festgehalten und gefoltert. 2005 musste sie abermals nach friedlichen Protesten gegen die Besatzung für sieben Monate hinter Gitter. Neben dem Preis für Zivilcourage erhielt die streitbare Mutter zweier Kinder 2008 den Menschenrechtspreis der Robert F. Kennedy Stiftung.

Haidar habe bei ihrer Ankunft in El Aaiún ihre marokkanische Nationalität verleugnet, verteidigt der marokkanische Außenministers Taib Fasi Fihri die Abschiebung. Sie soll unter auf dem Einreiseformular „Saharauisch“ und nicht „marokkanisch“ eingetragen haben. Haidar handle im Dienste ausländischer Kräfte, fügte der Minister hinzu, und meint damit die Befreiungsbewegung Polisario, die in saharaurischen Flüchtlingscamps in der algerischen Wüste eine Exilregierung unterhält.
Die Ausweisung ist Teil einer neuen Strategie Marokkos. „Jeder muss entscheiden, ob er Patriot oder Verräter ist“, erklärte Marokkos König Mohamed VI. erst kürzlich in seiner Rede zum 34. Tag der Besetzung der Westsahara. In einem Dokument der marokkanischen Regierung, das die schwedische Botschaft der Polisario zukommen ließ, ist „von einer neuen Elite“ die Rede, „die das separatistische Projekt ins Innere“ Marokkos trage. Das falle „nicht unter Meinungsfreiheit“ sondern sei „ein Angriff auf die Sicherheit und Stabilität des Landes“. Marokko kenne daher „kein Erbarmen“.

Bereits einen Monat vor der Ausweisung Haidars wurden sieben andere Menschenrechtler verhaftet, als sie von einer Auslandsreise zurückkamen. Sie sitzen seither in Haft und warte auf einen Prozess wegen Hochverrat vor einem Militärgericht. Ihnen droht die Todesstrafe.

Die Nummer 2 der schwedischen Botschaft in Rabat wurde des Landes verwiesen, nachdem die Polisario das Dokument öffentlich gemacht hatte. /Foto: Saharauiak/ Karte: Wikimedia Commons

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