Marokkos Schüler bekommen neue Bücher. Auf Befehl von König Mohamed VI. wurden die Schulbücher im nordafrikanischen Königreich durchgesehen, um sie an die aktuelle Gesellschaft anzupassen. Die Bücher sollen künftig toleranter sein und die Gleichstellung der Geschlechter fördern. 390 Bücher von der grundschule bis zum Abitur wurden von einer Kommission aus Professoren, Forschern, Lehrern und Schulinspektoren unter dem Vorsitz des Direktors für Curriculum am Bildungsministerium,. Fouad Chafiki durchgesehen. 147 Stellen wurden geändert. Alte Texte wurden entfernt, neue eingestellt.
Es geht dabei vor allem darum sexistische Inhalte zu eliminieren und die Bücher an die 2011 reformierte Verfassung und das neue Familienrecht anzupassen. So wurden Texte entfernt, in denen minderjährige Mädchen verheiratet werden, denn dies ist mittlerweile in Marokko nicht mehr zulässig. Ausserdem wird auf darauf geachtet, dass es keine Unterschiede von Rechten und Pflichten von Jungs und Mädchen mehr gibt. Bilder auf denen die Tochter mit der Mutter in der Küche steht, während der Sohn mit dem Vater Fernsehen schaut, gehören der Vergangenheit an. Künftig werden auch Mädchen ohne Kopftuch dargestellt, um die Vielfalt der marokkanischen Gesellschaft abzubilden.
„Manche Inhalte verleiten gar zur Gewalt“, erklärt Chafiki. Er verweist auf einen Text, in dem eine eifersüchtige junge Frau ihrer Cousine Benzin ins Gesicht schüttet.
Die Bücher werden jedoch nicht alle neu gedruckt. Solange noch alte Exemplare im Umlauf sind, werden die neuen Text im Internet veröffentlicht. Die Lehrer sollen sie dort herunterladen.
Besonders aufwendig wird – die noch nicht abgeschlossenen – Durchsicht der Bücher für den Religionsunterricht. Mohamed VI. verlangte deren Überarbeitung bei einer Ansprache im Februar diesen Jahres. Er verlangt vom Religionsministerium künftig „eine Unterrichtung der Werte des toleranten Islam, der die Ausgewogenheit, Moderation sowie Toleranz und das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Zivilisationen predigt“.
Viele der Bücher für den Religionsunterricht sind streng konservativ und geprägt von einer radikalen Sichtweise des Islams. Der Vater von Mohamed VI., der 1999 verstorbene Hassan II., ließ diese Bücher in den 1980er Jahren einführen. Er wollte mit einer konservativen Islamlehre den Einfluss der an Schulen und Universitäten starke Linken zurückdrängen. Mittlerweile ist dies ein Problem. Denn die Bücher verbreiten eine Auslegung der Religion, die der der radikalen Islamisten recht nahesteht. In Zeiten des Terrors bereitet dies Mohamed VI. Sorge. So wird 10 bis 12 Jahre alten Kindern die Suren aus dem Koran beigebracht, die zur Tötung Andersgläubiger aufrufen.
Während sich in Marokko Konservative und Säkulare über Sinn und Zweck der Reform streiten, bekam Mohamed VI. Unterstützung von der panarabischen Sender Al Arabiya. Die Reformen könnten „weltweite Auswirkungen“ haben, hieß es in einem Kommentar. „Wenn die Marokkaner fähig sind, ein neuen Lehrplan zu schreiben, der die großen humanitäre Lehren des Islam vermittelt, sollte dies als Vorbild für andere islamische Länder dienen, die ebenfalls das Problem haben, wie und welcher Islam den muslimische Schüler beigebracht werden soll.“ /Foto: Jacques Bodin